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Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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alter Freunde.
    Der Wind wirbelte Schnee in die Höhle. Er hatte sich förmlich zu einem Sturm ausgewachsen. Zum erstenmal kam Vanye der Gedanke, daß er ohne Schutz und schwach vor Hunger die Nacht wohl nicht überlebt hätte. Ohne die Begegnung unterwegs, ohne den Rehbock und das Angebot der Höhle hätte ihn das Unwetter im Freien überrascht, und er bezweifelte, daß seine nachlassenden Kräfte einen Aenor-Sturm durchgehalten hätten.
    Am Eingang war Holz aufgestapelt. Er wollte nicht darüber nachdenken, wie es gehackt worden war, nur daß es Wärme spendete. Und als er einige Scheite im Feuer nachlegte, um die Barriere zwischen ihnen und dem beharrlichen Wind zu stärken, sah er Morgaine hinten in der Höhle knien und unter einem Haufen kleiner Steine herumwühlen.
    Ich kenne die Höhle,
hatte sie gesagt.
    In unsicherer Neugier sah er sich um und bemerkte, daß sie einen Ledersack herauszog, der offenbar ziemlich vermodert und steif war, und als sie den Inhalt in ihre Hand schüttete, kam nur Pulver heraus. Sie zog die Hand zurück, als habe sie etwas Unerträgliches berührt, und wischte ihre Finger an der Erde sauber. Ein blutiger Streifen zog sich über ihren Arm, der das schwarze Leder des Ärmels teilte, und ihre saubere Hand näherte sich der Stelle.
    Sie erschauderte wie von einer großen Angst gepackt. Verwirrt, fast mitleidvoll ging Vanye neben ihr in die Hocke und überlegte in einem Winkel seines Verstandes, wie sie sich in so kurzer Zeit hatte verletzen können: nein, die Wunde sah alt aus; sie verschorfte bereits. Sie mußte sich das angetan haben, während er das tote Reh ausgeweidet hatte.
    »Wie lange?« fragte sie. »Wie lange war ich fort?«
    »Länger als hundert Jahre«, antwortete er.
    »Ich hatte nicht gedacht – daß es so lange sein würde.«
    Sie bewegte die
Hand
und blickte auf die Wunde, strich darüber hin, schien den Entschluß zu fassen, die Wunde zu ignorieren, denn sie war nicht tief genug, um gefährlich zu sein, nur eben schmerzhaft.
    »Moment«, sagte er, holte seine Sachen und hätte ihr gern die Wunde behandelt: zumindest das glaubte er ihr für die geschützte Unterbringung schuldig zu sein. Aber sie ließ es nicht zu und bestand darauf, daß sie sich selbst versorgte. Er saß da und beobachtete sie unbehaglich, während sie ihre Utensilien hervorholte, kleine Metallbehälter und andere Dinge, die ihm fremd waren. Sie versorgte die Wunde, ohne sie zu verbinden; als sie fertig war, lag ein rosaschimmernder Film darüber, und die Stelle blutete nicht mehr.
Qujalin-
Medizin, überlegte er; und vielleicht vertrug sie richtige Arznei nicht oder hatte Angst, daß sie gesegnet wäre und ihr schaden könnte.
    »Wo hast du dir das geholt?« fragte er; es sah nach einem Axt oder Schwerthieb aus; aber sie hatte nichts Derartiges bei sich, auch nichts, mit dem sie das Holz gehackt haben könnte. Außerdem befand sich die Wunde so hoch am Arm, daß er nicht zu sagen vermochte, wie Morgaine sie sich hätte beibringen können.
    »Aenorin«, sagte sie. »Lors Ris Heln Hyrssohn, er und seine Männer.«
    Heln lag schon fast hundert Jahre im Grabe. Plötzlich hatte Vanye ein seltsames Gefühl im Magen und begann Morgaines Gesichtsausdruck zu verstehen.
    Sie war den verfolgenden Aenorin entkommen – hundert Jahre weit, eine Zeit, die für sie nach der Wunde zu schließen nur ein Lidschlag gewesen war.
    Wahnsinn! Er neigte das Gesicht und zog sich ein wenig zurück, froh, sie den eigenen Gedanken überlassen zu können.
    Vanye war sattelmüde und so erschöpft, daß ihn nicht einmal Zauberei oder die Angst vor Ungeheuern wachhalten konnte; er wickelte sich in seinen dünnen Mantel und lehnte sich gegen die Felswand, um zu schlafen.
    Das Knacken eines neuen Holzscheits im Feuer weckte ihn, noch immer unausgeruht, und er sah, wie sich Morgaine Schnee vom Mantel stäubte und am alten Platz niederließ. Ihr Blick fand den seinen, war unangenehm starr auf ihn gerichtet, so daß er nicht so tun konnte, als ob er schliefe.
    »Seid Ihr erfrischt?« fragte sie, und ihr seltsamer Korish-Akzent entstammte einer fernen Zeit und ließ ihn mehr frösteln als der Wind oder die kalten Felsen in seinem Rücken.
    »Ein bißchen«, sagte er, zwang die steifen Muskeln in Bewegung und richtete sich auf. Schon so manche Nacht hatte er in voller Rüstung verbracht, und gelegentlich hatte er auch eine kältere Schlaf statt gehabt; doch in letzter Zeit hatte er zu viele Tage im Sattel gesessen und nicht genug

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