Morgengrauen
tempore. Das heißt, mit der üblichen akademischen Viertelstunde Verspätung. Also neun Uhr fünfzehn.«
Claudia nickte. »Ich wurde immer unruhiger, hab’s noch mal auf dem Handy und dann wieder bei ihr zu Hause probiert. Mit demselben Ergebnis.«
Kerstin streichelte ihr den Arm.
Bernd nahm sich den anderen Arm vor. Er war talentierter als Klaus darin, den Einfühlsamen zu geben. »Und dann?«, fragte er.
Claudia zog eine Papierserviette unter ihrem Cappuccino hervor, tupfte dann in ihrem Gesicht herum, atmete tief durch und sagte: »Um zehn nach neun klingelte dann Verenas Telefon, also das gegenüber meines Schreibtischs. Ich dachte, das sei sie endlich, aber dann war die Polizei dran …«
Bernd berührte nochmals Claudias Arm. »Weiß es Frank schon?«
Klaus wurde hellhörig: »Wer ist denn Frank?«
»Ihr Lebensgefährte«, sagte Claudia dann, um sich wieder mit der Serviette im Gesicht herumzutupfen. Ihr Make-up zerlief allmählich und zeichnete schwarze Ränder unter ihren Augen. »Ich meine, der … der …«
»Der Idiot, der sie vor einem guten halben Jahr sitzen ließ, um Irene zu schwängern«, sagte Bernd. »Ich weiß Bescheid. Jeder im Fachbereich weiß Bescheid.«
»Du meinst, er arbeitet auch an der FH?«, fragte Klaus.
Bernd schüttelte den Kopf. »Zwar auch im Fachbereich Wirtschaft, aber an der Berufsakademie – Fachrichtung Industrie. Und Irene ist eine Sekretärin in der Fachhochschule.«
Klaus griff sich die zerknautschte Serviette, die neben Claudia lag, und notierte darauf mit seinem Kugelschreiber: »Frank Ex schwanger Irene.«
»Habt ihr die Nachnamen und Telefonnummern?«, fragte er dann.
Kerstin sah ihn nun noch empörter an. Klaus spürte ihren Blick und ließ die Serviette schnell in die Hosentasche gleiten.
Zum Glück übernahm Bernd nun wieder die Befragung, nachdem er ein Mineralwasser geordert hatte. Das Thermometer war sicher auf über dreißig Grad geklettert. Wie man es da nur in diesen Anzügen aushielt?, dachte Klaus.
»Hat die Polizei schon mit euch gesprochen?«
Claudia schüttelte den Kopf. »Die wollten um halb drei vorbeikommen und alle Kollegen befragen. Also auch mich …«
»Wahrscheinlich sind die zuvor noch bei den Eltern oder am Tatort«, folgerte Bernd.
»Sehr gut«, wandte sich Klaus wieder an Claudia. »Ginge das, dass ich um halb drei auch zufällig da wäre?«
Das war eine Spur zu forsch, denn Kerstin explodierte endgültig. »Klaus Riesle, es reicht! Es reicht wirklich! Das hier ist doch keine Pressekonferenz!«
Sie kippte ihre Latte macchiato hinunter und packte Claudia am Arm. »Wir gehen!« Willenlos erhob sich Claudia.
»Tschüss, Bernd«, sagte Kerstin dann. Sie würdigte Riesle keines Blickes. »Du zahlst«, meinte sie nur noch.
Bieralf schien die Situation unangenehm zu sein, zumal sie nun auch von anderen Gästen angestarrt wurden. Er nestelte an seiner Krawatte.
Klaus hingegen war in dieser Hinsicht stoisch. Er zog die zerknautschte Serviette wieder aus seiner Hosentasche und notierte: »Blumen f. Kerstin.«
»Zwei Mineralwasser«, bestellte er beim akkurat gekleideten Kellner, sah auf sein Hemd und betrachtete die Schweißränder. Dann wandte er sich an Bernd: »Erklär mir im Schnelldurchlauf alles über die Schwenninger Hochschulszene. Und anschließend über diese Verena.«
Das musste er nicht zweimal sagen, denn sein Kollege ratterte nun los, während er einen weiteren Knopf an der grauen Weste öffnete. »Die FH – also Fachhochschule – Schwenningen ist eine Außenstelle der FH Furtwangen. In Schwenningen gibt es derzeit etwa 1200 Studenten, in Furtwangen 2300. Die FH Furtwangen ist Nachfolgerin der 1850 gegründeten Großherzoglichen Badischen Uhrmacherschule sowie …«
Klaus stöhnte: »Bernd, es ist heiß, und wir haben keine Zeit. Die Kurzversion, bitte.«
Bernd schien etwas beleidigt, spulte dann aber souverän die wesentlichen Informationen herunter: »Also, es gibt die FH mit den Fachbereichen Wirtschaft sowie Maschinenbau- und Verfahrenstechnik, kurz MuV. Daneben haben wir die Berufsakademie, an der Frank Jauch arbeitet, der Ex der Toten. Und natürlich die Polizeifachhochschule.«
Klaus unterbrach: »Und du bist wie die Ermordete Dozent bei den Wirtschaftsnasen der FH?«
Bernd nickte. »Richtig: Im Fachbereich Wirtschaft gibt es etwa vierhundertfünfzig Studenten – darunter überdurchschnittlich viele Frauen. Überdurchschnittlich viele hübsche Frauen …«
Klaus winkte grinsend ab.
»Was kannst
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