Morgenrötes Krieger
Alleinsein nicht gewöhnt. Macht es dir etwas aus?“
„Nein, nein, überhaupt nicht. Ich empfinde es genauso. Aber ich wollte dich nicht kränken, indem ich dich zu etwas veranlasse, was du vielleicht gar nicht willst.“ Der letzte Satz sollte eine Anspielung auf ihren anfänglichen Hochmut sein. Falls sie es gemerkt hatte, so ließ sie es sich jetzt nicht anmerken.
„Ich verstehe. So verschieden sind wir nun doch nicht. Also gut, ich warte auf dich im Kontrollraum.“
Sie drehte sich um, und so leise wie sie gekommen war, verließ sie auch wieder den Raum. Han war verwundert. Am Anfang, während der arbeitsreichen Tage, hatte er gar nicht die Stille und Anmut bemerkt, mit der sie sich bewegte, doch je länger sie beide zusammen waren, um so mehr wurde er sich dieses Phänomens bewußt. Ihre Bewegungen wirkten leicht und fließend – wie das Wasser eines Stromes. Sein Verstand jedoch sagte ihm, daß sich mehr als tausend Jahre Tradition und Training hinter dieser spielerischen Anmut verbargen.
Seine Gedanken trugen ihn fort. Sie paßte überhaupt nicht in jene Kategorie von Mädchen, die er gekannt, erobert und in kurzen, desillusionierenden Affären, wie sie für die Boomtown-Gesellschaft üblich waren, geliebt hatte. Ganz ohne Zweifel: Sie war gut gebaut und äußerst weiblich, aber ihr Gesamteindruck war eher hintergründig, voll verborgener Fragen und Symboliken – fast wie ein Rätsel, dessen Lösung so filigran anmutete, daß er sie in keines der gebräuchlichen Worte fassen konnte. Die formlose Ler-Kleidung, die sie trug und die all das verbergen sollte, reizte nur noch mehr seine starken erotischen Gefühle, die er zunehmend für sie empfand. Er war fest davon überzeugt: Für Ler-Augen war sie jung, hübsch, lebendig und äußerst begehrenswert – und natürlich zu allem bereit, ohne Gewissensbisse auf beiden Seiten. Aber für ihn lag die Sache völlig anders.
Sogleich verdrängte er diesen Gedanken. Er war der Meinung oder wohl eher in dem Glauben, von irgendwelchen Absichten in dieser Richtung frei bleiben zu können. Er wußte nicht einmal, ob sich zwischen ihnen überhaupt emotional oder körperlich etwas abspielen konnte. Das Liebesleben der jungen Ler untereinander war bei den Menschen gut bekannt, dennoch hatte man nur selten von Beziehungen zwischen beiden Arten gehört. Und wenn es solche Berichte gab, so waren es immer dieselben – ähnlich jenen schmutzigen Geschichten kleiner Jungen, deren Vorstellungen und Wünsche leicht den Rahmen von Realität und Möglichkeit sprengten.
Selbst nach Tausenden von Jahren waren die Ler bemerkenswert lässig in der Handhabung ihrer Liebesbeziehungen; seltsamerweise drehten sich die Mythen und Legenden immer um die Taten einzelner; nie spielten Liebe und Leidenschaft darin eine übermäßig große Rolle.
Han zog sich an, rasierte sich und ging zum Kontrollraum. Der vordere Teil des Raumes war kein überdimensionales Sichtfenster, sondern ein Konverterbildschirm, der die reale Außenansicht selbst dann noch wiedergab, wenn sich das Schiff mit Überlichtgeschwindigkeit bewegte. Darüber hinaus konnte man ihn auf verschiedene Frequenzen des sichtbaren Lichts einstellen. Im Augenblick war er voll in Betrieb, programmiert auf die geringfügig breitere Reflexcharakteristik des Ler-Auges. Das einzige Licht im Kontrollraum ging von diesem Bildschirm und den Kontrollinstrumenten aus. Liszendir saß regungslos auf dem Pilotensessel und schaute auf das imposante Schauspiel: kein Anzeichen, daß sie sein Eintreten bemerkt hätte.
„Hast du früher schon Raumflüge gemacht?“ fragte er, um das Gespräch in Gang zu bringen. Er wußte sehr genau, daß sie schon einen gemacht hatte, da es auf Glanzmeer weit und breit keinen Ler gab.
„O ja, mehrmals schon. Aber nie zuvor mit einer solch phantastischen Aussicht“, antwortete sie fast freudig erregt. Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: „Es ist für mich eigentlich nichts Neues; dennoch ist es immer wieder diese Endlosigkeit des Raumes, die mich zugleich begeistert und verwirrt. Dort draußen gibt es mehr, als wir alle je begreifen und wissen können. Stets werde ich mir dabei meiner eigenen Bedeutungslosigkeit bewußt.“
Han war derselben Meinung – wenigstens teilweise. Er verstand nicht ganz, warum sie sich über die Unermeßlichkeit und Grenzenlosigkeit des Raumes derart intensiv Gedanken machte. Eigentlich spielte es doch keine Rolle, ob man nun auf einer Planetenoberfläche stand oder nicht – man
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