Morgenrötes Krieger
schon, für euch jedoch ist sie sicherlich noch neu.
Ihr wißt, daß die Ler aus einem Experiment zur Beschleunigung der menschlichen Entwicklung auf der Erde hervorgegangen sind. Nachdem sie Jahre später von der Erde geflüchtet waren, besiedelten sie einen Planeten, den sie Kenten, ‚Erstheimat’, nannten. Teils, weil es unmöglich war, teils aus Mißtrauen unterblieb in den folgenden Jahren jeglicher Kontakt. Als er dann schließlich hergestellt war, begann eine recht unerfreuliche Zeit, die für beide Völker kein Ruhmesblatt darstellt. Der ‚Große Kompromiß’ machte dem ein Ende. Neue Welten, die man entdeckte, wurden entweder von den Ler oder von den Menschen in Besitz genommen. Streitigkeiten kamen nur in sehr geringem Maße vor. Dies funktionierte mehrere Jahre lang.
Im Innern des Universums gab es einige Auseinandersetzungen und Reibereien, aber nichts von großer Bedeutung. Im Außengürtel dagegen herrschte völliger Friede. Für die äußerste Randzone der bewohnten Welt beschlossen die Regierungen beider Rassen, einen der Planeten gemeinsam zu besiedeln, um so die biologische Auseinanderentwicklung wieder rückgängig zu machen. Wie sich bisher gezeigt hat, war es ein Erfolg – und zwar auf Chalcedon.“
Als Hetrus eine kurze Pause einlegte, ergriff Lenkurian das Wort. Sie schien nervös und sprach mit einer gehetzten Flüsterstimme, die trotz ihrer geringen Lautstärke – so seltsam es auch anmuten mochte – bis in die letzten Winkel der Terrasse drang.
„Als wir den Bericht hörten, waren wir natürlich sehr interessiert. Bemerkenswert, daß die Räuber allem Anschein nach Ler waren, jedoch von einer Herkunft, die keiner genau bestimmen konnte, und mit einem ganz entschieden abnormen Verhalten. Diese Tatsachen haben unsere obersten Regierungsinstanzen dazu bewogen, etwas zu unternehmen. Uns liegt viel daran, daß diese Angelegenheit geklärt wird.“
Hetrus fuhr fort: „Natürlich geben wir uns möglichst unwissend. Und in der Tat wissen wir auch so gut wie nichts, auch nicht, ob das Gebiet beobachtet wird. Deshalb wurdet ihr zwei vorgeschlagen. Han wartet auf seine Lizenz, Liszendir ist zur Zeit ohne Beschäftigung und Bindung; diese Reise könnte für sie eine Art beruflicher Fortbildung sein – ihr tranzhidh .“
Als sie die ungewohnt fremdartige Aussprache eines Ler-Wortes hörte, nickte sie beifällig.
„Ihr braucht euch auf diesen Auftrag nichts einzubilden“, ergänzte Hetrus. „Andere wären vielleicht geeigneter gewesen, aber ihr wart nun einmal verfügbar. Keiner von euch hat zur Zeit familiäre Verpflichtungen, und es ist auch recht unwahrscheinlich, daß ihr über euren Auftrag hinaus eure Verbindung vertiefen werdet. Wir haben ein Raumschiff – einen bewaffneten Kleinkreuzer – mit einigen Handelswaren bereitgestellt, damit man euch für Händler hält. Ihr werdet nach Chalcedon reisen und die Angelegenheit weiterverfolgen. Efrem mußte leider zu schnell die Heimreise antreten; ihr dagegen könnt euch Zeit lassen und die Spur bis zum Ende verfolgen. Eure berufliche Ausbildung und Erfahrung wird sich glänzend gegenseitig ergänzen.“
Han und Liszendir schauten einander an. Als hätte sie das Problem schon geistig verarbeitet, sagte sie ruhig, aber mit einem streitbaren Unterton: „Ich heiße Liszendir, Heranreifende der Karen-Webe, zur Zeit unfruchtbar, nerh oder ältere außenverwandte Halbschwester, unverwoben – du würdest es wohl eher ‚nicht verlobt und nicht verheiratet’ nennen. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt.“
Ihre Offenheit, die – Han erinnerte sich – nicht so sehr ein persönlicher Charakterzug des Mädchens, sondern eher eine kulturelle und in Abstufungen allen gemeinsame Eigenart war, ließ ihn augenblicklich aufmerken. Es schien ihm, daß sie beim Sprechen jenen Hauch von Weiblichkeit, den er bemerkt zu haben glaubte, bewußt fallenließ und sich in ein völlig anderes Wesen verwandelte. Er spürte eine gewisse Todesverachtung, Wildheit und Aggressivität. Er fragte sich, was für eine Berufsausbildung sie wohl hatte und ob sie ihre Weiblichkeit ebenso leicht zurückerlangte, wie sie sie abgelegt hatte.
„Ich heiße Han Keeling, männlich, unverheiratet“, sagte Han. „Darf ich fragen, welche Berufsausbildung du hast, Srith-Karen Liszendir?“
„Du darfst. Ich bin Inhaberin des violetten Gürtels der Ka-ren-Schule für Nahkampf und Selbstverteidigung.“
Han nickte höflich. Ein Frösteln kroch ihm den Nacken runter. Man
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