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Morgenrötes Krieger

Morgenrötes Krieger

Titel: Morgenrötes Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. A. Foster
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loderndes Feuer. Sie sagte etwas Zärtliches, Wörter, die sie über die Lippen hauchte, Sätze, die er nicht verstand: Multisprache. Er kniete neben ihr, seine Haut berührte ihren Oberschenkel. Er ahnte die Bedeutung der Worte. Sie klangen traurig, doch sie waren ein einziger Ausdruck der Liebe, Zärtlichkeit und Leidenschaft.
    Er fühlte, wie ihn das Verlangen übermannte, wie die Wirklichkeit versank. Ihr Gesicht, nah und hell, glühte im Dunkeln wie ein feuriger Ball. Wie hatte er sie je als fade und langweilig ansehen können? Sie war voller Liebreiz, von äußerster Weiblichkeit. Bevor er sich ganz in ihr verlor, hatte er noch die Kraft zu einer letzten Frage, die ihm – so idiotisch es auch war – nicht aus dem Kopf gehen wollte, ähnlich einer Melodie, die einem bis ans Lebensende im Ohr saß und verfolgte.
    „Küßt ihr euch?“ Noch immer wollte er wissen, ob es Tabus bei ihnen gab.
    Sie antwortete mit einer plötzlichen umschlingenden Bewegung. Han war für längere Zeit unfähig, einen zusammenhängenden Satz zu sagen. Ein dunkler Schatten breitete sich über ihn, drängte alle Wirklichkeit zurück – bis auf eine: Dunkelheit und brennendes Feuer!
     
    Mit dieser Nacht begann für sie eine völlig neue Dimension ihrer Beziehung. Unter den neuen Bedingungen verloren sie jeglichen Halt, jegliche Ordnung und alle Regeln, nach denen sie sich bisher zueinander verhalten hatten. Es gab nur noch Gefühle und körperliches Verlangen; so gaben sie den starken Bedürfnissen nach, die sie verspürten, und verbanden sie mit einer wachsenden und sich vertiefenden Zuneigung. Die Zeit verstrich. Han sah, wie die Sonne von Chalcedon, Avila 1381, auf- und wieder unterging. Es war ohne Bedeutung. Sie aßen, sie schliefen, sie liebten sich. Liszendir war unersättlich und kannte keine Erschöpfung. Bei Han war das anders; er tat es, so lange er konnte, aber schließlich war er am Ende – nichts ging mehr. Vor lauter Erschöpfung brach er zusammen.
    Er wußte nicht, wie lange er geschlafen hatte; er wußte nur, daß es Morgen war, als er erwachte. Oder täuschte er sich? War es vielleicht Abend? Noch benommen, versuchte er sich zu erinnern, von welcher Seite normalerweise das Morgenlicht hereinschien. Er schaffte es nicht. Nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, wurden die Schatten länger. Er fühlte etwas Warmes neben sich. Tief atmend, lag Liszendir an ihn gekuschelt. Als sie seine Bewegungen spürte, erwachte sie ebenfalls. Ihre Augen waren klar und strahlend. Sie streckte sich und lächelte; schmerzlich spürte und sah Han das Muskelspiel unter ihrer Haut. Sie schien Muskeln bewußt kontrollieren zu können, von denen er nicht einmal gewußt hatte, daß es sie gab. Sie schwiegen. Wie sollten sie auch in Worte fassen, was jetzt zwischen ihnen war?
     
    So verstrich eine Zeit, die kein Ende zu nehmen schien. Sie sprachen wenig, verzichteten auf Erklärungen, erzählten keine Geschichten und unterließen jede Art von rationaler und analytischer Spekulation. Die Tage blieben ungezählt – lachend gingen sie darüber hinweg. Sie waren, wie Liszendir es einmal ausdrückte, „in der Gegenwart verhaftet; keine Vergangenheit, keine Zukunft – kein Ich, kein Du.“ Auch die kleinsten alltäglichen Dinge erfüllten sie mit einem Höchstmaß an Freude und Genuß; während der warmen Tage ging Liszendir völlig nackt. Han war mehr und mehr eingenommen von diesem sicheren, festen Körper; alles an ihr war kunstvoll, durchdacht und anmutig. Nach Gestalt und Form war sie für ihn eher das Abbild einer orientalischen Menschengattung – Gesicht und Haare jedoch waren anders –, und in der kühlen Luft des frühen Morgens war ihre Haut wie weißes Elfenbein, durchglüht von rosa Schatten.
    Sie forderte nichts. Sie wußten beide, daß ihre Ausdauer stärker war als die seinige; so bewahrte und belebte sie seine Kraft, ihn dabei provozierend, verspottend und ihn ständig in Verwirrung stürzend.
    Sie hatten keine Lebensmittel mehr. Han sammelte einige Dinge zusammen, belud damit den drif und marschierte über die Ebene zu den Randbezirken der Stadt, wo er seinen Goldstaub absetzte, der nach Boomtown-Maßstäben ein gewaltiger Schatz gewesen wäre. Er kehrte zu den Felsenspitzen zurück, ohne etwas Neues über die Krieger erfahren zu haben, und so nahmen beide ihr früheres Leben in alter Gewohnheit wieder auf.
    Schrittweise und allmählich begannen sie wieder miteinander zu sprechen; zuerst waren es nur kurze Anekdoten

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