Morgenrötes Krieger
nur Nichtigkeit und Hohlheit verbarg; aus ihr strahlte ein innerer Wesenskern nach außen, der sich jedem Zugriff zu entziehen schien, etwas völlig Abstraktes, das mit der Zeit zusammenhing – ja, Zeit! Frau? Geliebte? Familie … Kinder … rote Ha a re, behaarte Unterschenkel … fast wie bei … Zeit, Zei t gefühl, Kinder …
Dann riß er die Augen weit auf: Er hatte es! Die An t wort. Er wußte plötzlich, wer die Krieger manipulierte – und auch warum. Als Beweis fehlten ihm noch ein paar Antworten von Hatha – einfache Fragen. Es war mit e i nem Mal alles so klar und deutlich. Und einen Moment lang, einen winzigen, verschwindend kleinen Bruchteil eines Augenblickes lang trat ihm die Realität Usteyins vor Augen – dann versank er in tiefen Schlaf.
11.
Eines haben wir über die Natur gelernt: Sie bringt alles in einen allgemeinen Zusammenhang. Sie zwingt ihre Teile zur Vielfältigkeit oder verdammt sie nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten dazu, auf andere umliegende Teile Einfluß zu nehmen. Künstlichen Dingen fehlt diese E i genart; und dies trifft sowohl auf die belebten wie auch auf die unbelebten Dinge zu – wenn man unbedingt diese Unterscheidung machen will. Somit stehen wir Ler im Rahmen unserer eigentümlichen Selbststrukturierung weit über den Menschen – dem al t en Volk. Dennoch kann man an einer bestimmten Tatsache nicht vorbeigehen: Alles in allem sind Mensch und Ler in annähernd gle i cher Weise differenziert – nicht mehr oder minder. Kein Ler jedoch ist für einen Menschen nach einem gewissen Zeitraum der Gewöhnung etwas Geheimnisvolles, dag e gen sind die Menschen für uns Ler stets voller Überr a schungen – wie auch untereinander. Wir bevorzugen u n sere eigene sorgfältig durchstrukturierte Gesellschaft s ordnung. Aber ich kann auch versichern, wir haben gr o ße Ehrfurcht vor Völkern, die näher am Chaos leben als wir und die dieses Chaos im Gegensatz zu uns nicht fürchten.
Klislangir Tlanh
Schon bald begann sich Han sowohl über Usteyin wie auch über Liszendir den Kopf zu zerbrechen. Falls seine Vermutungen stimmten oder auch nur zum Teil der Wirklichkeit entsprachen, so waren sie allesamt in großer Gefahr, größer noch als die, welche von Hatha ausging. Allmählich empfand er sogar für Hatha und die Krieger ein gewisses Maß an Mitleid. Sie waren in Wirklichkeit nur ein willfähriges Werkzeug – ihre Gefährlichkeit war dadurch zu einem großen Teil fragwürdig geworden.
Er stellte diese Überlegungen jenem Unglück und Leid gegenüber, das Hatha mit seinen ruhmlosen Überfällen verursacht hatte: die auseinandergerissenen Familien und Freunde, die Toten, die geringen Überlebenschancen hier auf Morgenröte. Und dann dieses Meteoritenbombard e ment, das in seiner abschreckenden Wirkung weit über das Maß üblicher Waffen für diesen Zweck hinausging. Aber bei Licht betrachtet waren sie dennoch nur gegen die Bevölkerung brauchbar – als eine Art Terrorwaffe. Dann dachte er an Avings kaltschnäuzige Bemerkung über das Lebenspotential, und natürlich an die Geschic h te der Zlats und all der anderen Klesh. Wenn er durch irgendeinen Zauber das restliche Universum vergessen könnte und alles aus der Sicht von Morgenröte zu beu r teilen hätte, so mußte er Liszendirs Verdammungsurteil zustimmen, die Krieger ihrem Schicksal überlassen und lediglich versuchen, nur die Menschen von diesem Plan e ten zu retten. Aber die Sachlage war völlig anders. Es gab da irgendwelche Schurken, die man zuvor außer G e fecht setzen mußte, denn er war überzeugt, daß sie – wer und wo sie auch immer sein mochten – die Mittel hatten, jede Art von Bedrohung durch die Krieger abzuwehren. Niemand würde Nuklearwaffen ohne Strahlenschutz zum Einsatz bringen – und die Manipulation einer ganzen Z i vilisation war gewiß noch gefährlicher und brisanter. Um zu tun, was notwendig war, brauchte er beide Raumschi f fe und Hatha auf seiner Seite. Zugleich mußte er es ohne Liszendirs Hilfe versuchen. Die Zeit drängte, denn er hatte von den Wachen das Gerücht vernommen, daß man ein neues, ausgedehnteres Abenteuer vorhatte und daß verstärkt Mannschaften rekrutiert und ausgebildet wu r den.
So machte er sich daran, Hatha in allen nur erdenkl i chen Ecken und Winkeln des Lagers aufzustöbern. Doch erfolglos. Weder von ihm noch von Liszendir eine Spur. Nachdem er den größten Teil des Tages mit Wachtposten und Angestellten vergeudet hatte, die entweder keine Ahnung hatten
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