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Morgenrötes Krieger

Morgenrötes Krieger

Titel: Morgenrötes Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.A. Foster
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als Antwort ein wildes Wutgeheul. Das Echo – zw i schen den glatten Felsen und der Wasseroberfläche hin und her gehend klang unheimlich und schauerlich: Doch keiner ließ sich blicken, auch jener nicht, der getroffen herabgefallen und in den Tiefen des Flusses versunken war.
     
    Die restliche Reise verlief ohne Zwischenfälle. Wenn sie nicht gerade ruderten oder steuerten, verbrachten Han und Liszendir die Tage damit, gegen die Ballen gelehnt zu plaudern oder die Landschaft zu beobachten. Schlie ß lich verbreiterte sich die enge Schlucht und mündete in ein stilleres und ruhigeres Gewässer. Noch immer befa n den sie sich in einem tiefen Canon, aber aus dem Helli g keitsgrad des Himmels ließ sich entnehmen, daß sie auf dem See kurz vor Leilas waren. Sie befanden sich jetzt auf der Westseite des Gebirgszuges. Der See war seicht und trübe, der Grund nur erahnbar und voller Schlick und Schlamm. Sie stakten und ruderten westwärts, hinein in ein scheinbar grenzenloses Nichts.
    Nach viertägiger Fahrt auf dem See, währenddessen die Luft leichter und merkbar kühler wurde, sichteten sie rechterhand zu ihrer Fahrtrichtung einige Landungsstege, hinter denen sich ein Steilufer erhob, das eingehüllt war in einen rosafarbigen Dunstschleier. Han fragte Narman, ob das schon Leilas sei.
    „Nein, Leilas ist oberhalb des Ufers; von hier aus kann man es nicht sehen. Der Dunst kommt aus den Häusern und Handwerksbetrieben. Was du hier unten auf dem Wasser siehst, sind nur die Anlegestellen. Wir werden all unsere Sachen hier draußen auf dem Wasser verkaufen. Die Hafengebühr ist zu teuer! Sie sollen ruhig alles den Abhang hinaufschleppen. Wegen der Flut konnten sie nicht bis ans Ufer bauen; ich meine jene, die mit der So n ne kommt, wenn sie die Hölle des Südens besucht hat.“
    Sie dirigierten das Floß mit aller Kraft auf die schwimmenden Anlegestellen zu. Han beobachtete Li s zendir bei ihrer Arbeit an der Ruderstange; dann blickte er hinüber zu den beiden Schwestern. Alle drei waren sie Frauen, dennoch gab es etwas, das Liszendir von den beiden unterschied. Einen Moment lang entglitt es ihm, dann plötzlich war es ihm klar. In aller Deutlichkeit trat das Bild vor sein geistiges Auge – Liszendir sah irgen d wie „fertiger“ aus. Er löste ihr Bild auf und versuchte sich die beiden Mädchen in einer Situation unter lauter Menschen vorzustellen. Ja, richtig! Uraz nahm eine schlichte, einfache Gestalt an, während Pelki mit einiger Mühe neben ihrer Schwester fast attraktiv, verständig und geschickt erschien. Das paßte gut zu dem Eindruck, den er von ihr während der Fahrt bekommen hatte. De n noch – Liszendir war in ihrem Wesen „fertiger“.
    Als er sie erneut beobachtete, wurde er auf etwas a n deres aufmerksam, das ihm bisher noch nicht so klar zu Bewußtsein gekommen war: Sie ließ ihr Haar nun länger wachsen, da der kurze Schnitt ein Zeichen ihrer Reifezeit gewesen war. Er erinnerte sich noch genau, wie sie d a mals ausgesehen hatte: kurz, glatt und in der Mitte g e scheitelt – geschlechtslos, ohne besondere Merkmale, wie alle, die im Reifungsalter waren. Dennoch – wie sehr er auch das Bild hin und her wendete – konnte er in ihr keine Geschlechtsgenossin sehen. Es war, als ob trotz aller kultureller Gleichheit der Geschlechter die angeb o renen Unterschiede dadurch erst zur vollen Entfaltung kamen; als ob Kleider und Haartracht das Eigentliche eher ve r deckten, statt es zu steigern, wie er bisher in Überei n stimmung mit allen anderen ihm bekannten Mi t menschen geglaubt hatte. Seine eigenen Leute waren der Ansicht, daß man Jungen und Mädchen bei gleicher Haar- und Kleidertracht unmöglich auseinanderhalten könnte. Dag e gen schienen eben diese Jungen und Mädchen mit dieser Sache keinerlei Schwierigkeiten zu haben – sie wußten es einfach. Han seinerseits wußte es jetzt ebe n falls.
    Mit ihrer so typischen Nonchalance trug Liszendir ihr Haar im Nacken zusammengebunden, wobei sie sich e i ner Schnur bediente, die sie aus einem der Ballen herau s gefischt hatte; mit einer Grazie und Anmut floß es über ihren Rücken, daß selbst die feinste Seide damit nicht konkurrieren konnte. Sie spürte, daß er sie beobachtete, und drehte sich zu ihm um. Die Ruderstange hielt sie d a bei locker.
    „Da du den Kopf heute so voller Gedanken hast, will ich dir ein Rätsel aufgeben. Bist du bereit? Ich will wi s sen, wie ein fließendes Gewässer, das nicht tiefer als di e ses hier ist, eine Gebirgskette

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