Morgenrötes Krieger
von mehreren Meilen Höhe durchschneiden kann.“
Han lachte. „Du, der große Philosoph, fragst mich? Weißt du nicht, daß das Wasser mit seiner Demut, die die Niederungen aufsucht und sich nicht selbst erhöht, alles erreicht und gewinnt?“
„In der Tat, ein mnathman ! Dardenglir hatte recht, was dich betrifft, Han. Du mußt endlich diese Selbsttä u schung, reich werden zu wollen, aufgeben und ein heil i ger Mann werden. Wir können aus dir keinen Ler m a chen, aber du bist in der Lage, viele Geheimnisse zu e r lernen. Woher hast du das?“
Han lachte erneut. „Ich ziehe mich bisweilen in eine einsame Höhle zurück und erforsche rein durch geistige Übung die Geheimnisse von Erde und Wasser, Rot und Schwarz, Mann und Weib.“
Sie lachte und verbesserte ihn: „Tlanman und srithman, meinst du wohl? Männliche Person und weibl i che Person?“
„Nein, Mann und Weib. Ich muß mich auf das hy m manon, das alte Volk beschränken, damit ich keine Krämpfe kriege wie vom übermäßigen Genuß gegrillten drif -Fleisches. Oh je! Ich wünschte, wir hätten das störr i sche Biest verspeist, bevor Hath’ingar uns erwischte und auf diesen Vegetarierplaneten verfrachtete. Aber im Ernst, Liszendir, ich will deine Frage beantworten. Ich glaube, der Grund, warum der Fluß das Gebirge durc h schneidet, liegt in der Sommerflut, wenn die Sonne vom Süden zurückkehrt. Steht die Sonne über einem der Pole, so bildet sich auf dem anderen eine dicke Eiskappe, die mit einem Schlage abtaut. Das Wasser muß irgendwohin, und wenn der Pol hochgelegen ist … Ich glaube auch, daß der Fluß älter ist als die Berge und sie auf gleichem Niveau zerteilte, während sie sich auffalteten, wobei er jeden Sommer wieder abtrug, was sich im Jahr zuvor angehoben hatte. Das ganze Wasser kommt auf einmal, und wenn es abebbt, so sinken die kleinen Partikel und Schwebestoffe hier auf den Grund des Sees, der sich Jahr für Jahr erneuert; das ist auch die Erklärung, warum er so schlammig und voller Schlick ist.“
Narman hatte genau zugehört, trotz der Sprachbarri e re, die für ihn ebenso schwierig war wie für Han und Li s zendir. Aber er hatte einige Einzelheiten mitbekommen und nickte enthusiastisch. „Ja, der Fluß wäscht die Schlucht jedes Jahr aufs neue aus. Er zerschneidet die Berge zur Strafe dafür, daß sie dem Himmel gleich sein wollen – sie werden zerschnitten und gepeitscht. Es ist wie mit den Frauen.“
Han und Liszendir stimmten respektvoll zu. Ohne Kommentar akzeptierten sie seinen einfältigen Glauben.
Sie waren jetzt den Anlegestellen greifbar nahe g e kommen und zogen die Ruderstangen ein. Han war g e spannt darauf, wie wohl die Stadt aussehen würde. Seit ihrem Abflug aus Boomtown hatte er keine mehr gesehen – Hobbs Basar zählte nicht.
Nach Narmans Beschreibungen zu urteilen, mußte Leilas wahrhaftig der Nabel der Welt sein, ein Wunder, vergleichbar den sagenhaften Städten der Antike: ko s mopolitisch, eine Großstadt im Überfluß, Zentrum für Handel und Kultur; er wollte es mit eigenen Augen s e hen. Liszendir jedoch schaute nur mißtrauisch auf den Dunstschleier oberhalb des Steilufers und schüttelte den Kopf. Sie war schon die ganze Zeit skeptisch, und die wenigen Bemerkungen, die sie losließ, hatten nicht eben begeistert geklungen.
Sie machten ihr Floß an einer der schwimmenden A n legestellen fest, und sogleich wurden sie von einer solch schurkischen Feilscher- und Halsabschneiderbande b e stürmt und umlagert, wie sie Han sein Lebtag nicht ges e hen hatte. Der Verkauf der Feldfrüchte begann unmitte l bar, ohne Einleitungen oder Formalitäten, es gab kein Pardon. Selbst auf sein letztes Hemd am Körper mußte er höllisch aufpassen, und auch für Liszendirs Kleid wollte man ein Angebot machen, falls sie die Güte haben wü r de, hinter den Ballen hervorzukommen und es auszuzi e hen. Dies alles endete erst spät in der Nacht und begann am nächsten Morgen vor Tagesanbruch aufs neue. Nach zwei Tagen war alles verkauft, ein paar Waren waren gestohlen, ein guter Profit war gemacht und das Geld unter ihnen aufgeteilt. Geld! Wenn man es überhaupt so nennen konnte – eine Währung, die nur in Leilas Gülti g keit hatte.
Sie gingen das Steilufer zur Stadt hinauf und ließen nur die Packtiere und einige Sachen zurück. Vor den Stadtmauern Leilas’ angekommen, sagten sie sich ein kurzes, aber herzliches Lebewohl. Narman war in Eile. Sie hatten andere Bauern der Felsenschlucht gesehen, die sich schon für
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