Morgenrötes Krieger
konnten sie sich davon überzeugen, daß er in einer frühen Entwic k lungsphase der biologischen Evolution steckte. Es gab kein anderes einheimisches Tierleben als das zwischen Reptilien- und Amphibienstufe, und auch mit den Pfla n zen war es nicht besser bestellt, sah man von denjenigen ab, die ganz offensichtlich importiert waren. Eine noch junge und rauhe Welt, auf der eigenes Säugetierleben erst in dreihundert Millionen Jahren zu erwarten war, vorau s gesetzt die Sonne wurde bis dahin nicht zur Supernova.
Nur die Krieger hatten ein eigenes Schiff, dazu jenes von Han und Liszendir. Es waren die einzigen Transpor t mittel für längere Distanzen auf dem gesamten Planeten. Tausende von Meilen lagen zwischen ihnen und dem Schiff. Sie konnten nur wenig tun. Bevor sie sich schlafen legten, nahmen sie sich gegenseitig in die Arme und lie b ten sich ein weiteres Mal in einer langsamen, selbstve r gessenen Art. Dann schliefen sie ein, ohne auf mehr zu hoffen, als was ihnen diese Gemeinsamkeit schenkte.
Am Morgen kauften sie ein maultierähnliches Packtier und beluden es mit Proviant und Ausrüstung, wofür sie den größten Teil ihres Geldes ausgaben. Han vermutete, daß die Vorfahren dieses kleinen Tieres mit den ersten Einwanderern gekommen waren. Sie verließen den Gas t hof schweren Herzens, denn das, was sie erwartete, war nach all ihren Informationen ein mühseliges Unterne h men und wenig erfreulich. Die Zeit hingegen, die sie in diesen Wänden verbracht hatten, war eine willkommene Erholung voll gemeinsamer Ruhe und Entspannung g e wesen. Mit ihrem letzten Geld kauften sie ein kurzes Schwert für Han und ein zierliches, aber brauchbares Messer mit rasierklingenscharfer Schneide für Liszendir. Nachdem sie alles auf ihrem Packtier verstaut hatten, verließen sie Leilas durch das Nordtor und schlugen die Richtung zu jenen Ländern am oberen Beckenrand ein.
Als sie die Stadt verlassen und den sanft ansteigenden Hang erklommen hatten, schauten sie kurz zurück auf jene „Großstadt“, als die Leilas auf Morgenröte galt. Die Stadtmauer war weder sehr hoch noch gut befestigt oder durchgehend geschlossen; die beiden Winter pro Jahr hatten an mehreren Stellen große Lücken hineingebr o chen. Vielleicht war sie einst von Nutzen gewesen, aber nach ihrem Zustand zu urteilen, mußte dies schon zahll o se Jahre zurückliegen. Hinter der Mauer breitete sich dichtgedrängt und buntgewürfelt die Stadt im grellen Sonnenlicht aus, einem Sonnenlicht, das – als sie weiter weg waren – einen Hintergrund aus Felsen, Erde und spärlicher Vegetation, ähnlich einem natürlichen B e wuchs graubraunen Moses oder einer merkwürdigen Flechtenart, beschien.
Sie wandten sich nach Norden und schritten fest aus. Zur Rechten hatten sie den vollen Anblick der zerfurc h ten Berge, die das Hochplateau zum Osten hin abschlo s sen; sie türmten sich hoch und immer höher – erst der Schnee, der die niedrigen Abhänge und Bergrücken b e deckte, dann nackter Fels und noch weiter oben die schrecklich zerklüfteten Nadelspitzen, deren höchste Punkte auf neunzig Prozent der Planetenatmosphäre he r abschauten. Nach Westen, zur Linken, befand sich ein weiterer, etwas niedrigerer Gebirgszug, der allem A n schein nach vulkanischen Ursprungs war und trotz seiner geringeren Höhe unpassierbar war. Jetzt, da sie die Stadt verlassen hatten, blickten sie auf eine öde, unfruchtbare Landschaft, bestrahlt vom stechenden Sonnenlicht, ein Land, das um nichts besser war als jenes, das sie auf der Hochebene gesehen hatten.
In Leilas war das Klima verhältnismäßig milde gew e sen: am Tage warm, nur nachts kühlte es etwas ab. Jetzt aber, wo sie mehr und mehr die Höhe des nördlichen Becke nrandes erreichten, wurde die Luft merklich kälter und zeigte deutliche Merkmale des fortgeschrittenen Herbstes. Sie kamen nicht schnell genug voran, um mit dem Zug der Sonne gen Norden Schritt halten zu können. Ein beständiger Wind blies. Mit jedem Tag wurde die Kreisbahn der Sonne am nördlichen Himmel enger, im Süden die Dunkelheit stärker und die Kälte spürbarer.
Menschliche Gebäudeformen – so vor allem der Ba u stil der Häuser und Wirtschaftsgebäude sowie die Art und Weise, das Land zu bebauen – wichen stellenweise, dann immer häufiger und schließlich gänzlich den Fo r men der Ler-Zivilisation. Die Häuser bestanden nun nicht mehr aus den Ellipsoiden, an die Han und Liszendir g e wöhnt waren, sondern aus Steinkonstruktionen mit zwei
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