Morgenstadt - wie wir morgen leben
bringen. Beispielsweise läuft derzeit die Planung für einen ökologisch vorbildlichen Musterstadtteil namens Archipelago 21 in Yongsan, der von Stararchitekt Daniel Libeskind entworfen wurde. Er soll aus einem Wohn- und Geschäftsviertel, Grünanlagen und kulturellen Einrichtungen bestehen. Als Mittelpunkt ist ein 665 Meter hoher Wolkenkratzer geplant, einer der höchsten der Welt. Im Jahr 2016 soll alles fertig sein.
Aber auch die weniger spektakulären Bauprojekte sollen nachhaltiger werden: Ab dem Jahr 2025 sollen alle in Südkorea neugebauten Häuser Nullenergiehäuser sein, also übers Jahr gerechnet nicht mehr Energie benötigen, als sie selbst mit Sonne oder Wind erzeugen. Das „Energy Dream Center“ soll dafür Vorbild sein und gleichzeitig durch reale Anschauung und Ausstellungen Anleitung bieten.
„Wir haben dieses Gebäude so konzipiert, dass es extrem wenig Energie verbraucht“, sagt Arnulf Dinkel. „Es beginnt schon bei der Außenhaut: Sie ist sehr gut wärmegedämmt, damit man im Winter wenig heizen muss. Um im Sommer zwar Licht einzulassen, aber den Wärmeeintrag durch die Sonne gering zu halten, haben wir das Gebäude entsprechend orientiert, mehrere Wände nach außen geneigt, damit sie sich selbst verschatten, und Dreifachverglasung vorgesehen.“ Dies hilft, den Kühlaufwand in der warmen Jahreszeit zu reduzieren – denn Seoul hat zwar kalte Winter, aber im Sommer ist es sehr schwül und heiß. Während konventionelle Häuser üblicherweise durch eine große Lüftungsanlage gekühlt werden, hat das Ausstellungszentrum Innenwände bekommen, die von Wasserrohren durchzogen sind. Die kühlen und heizen, je nach Bedarf.
Die nötige Heizenergie holt sich das Gebäude mit Hilfe von Wärmepumpen aus dem Grundwasser. „Die Energie, die wir dem Boden im Winter entnehmen, speisen wir imSommer wieder zurück“, erklärt Dinkel. „Würde man das nicht tun, würde der Untergrund irgendwann einfrieren.“ Den Strom für die Wärmepumpen erzeugen Solarzellen auf dem Dach und auf Schattendächern über dem Parkplatz. Obwohl eine ausgefeilte Gebäudetechnik dafür sorgen wird, dass alle Komponenten optimal zusammenspielen, gibt es Zeiten, in denen Strom aus dem Netz zugekauft werden muss. Dafür speist das Gebäude elektrische Energie zurück, sobald es einen Überschuss erwirtschaftet. „Übers Jahr gesehen gleicht sich das aus“, so der Architekt. „In der Gesamtbilanz ist dies ein Nullenergiehaus.“
Nicht immer war die Kooperation mit den koreanischen Partnern leicht, berichtet Dinkel: „Wir hier in Deutschland hatten nun schon 20 Jahre lang Zeit, den Bau energiesparender Häuser zu üben. Bei uns sind inzwischen Planer, Firmen und Handwerker darauf trainiert, und das Zusammenspiel funktioniert. In Südkorea steht man da noch ganz am Anfang.“ Die Unterschiede in Sprache und Mentalität taten ein Übriges. Bisher gelang es jedoch noch immer, das Projekt weiter voranzubringen, auch wenn „jede Schraube dreimal hinterfragt wird“.
Hilfreich war auf jeden Fall, dass die Stadtoberen voll hinter der Zusammenarbeit stehen. Schon vor einigen Jahren hatten Oberbürgermeister Oh und sein Vorgänger erste Schritte unternommen, um die 10-Millionen-Stadt Seoul lebenswerter zu gestalten. „Wir müssen eine neue Balance finden“, hatte Oh gemahnt. Die Stadt solle wieder zu einem „harmonischen Raum“ für Arbeit, Menschen und Natur werden. Viel zu lange sei die Umwelt den wirtschaftlichen Interessen geopfert worden. 11 Denn seit Jahren erlebt die südkoreanische Stadt einen gigantischen Bauboom. Wolkenkratzer schießen aus dem Boden, um der stetig wachsenden Bevölkerung Wohnraum zu bieten. So entstanden ganze Stadtviertel aus tristen Wohntürmen, schnell und billig errichtet. Da blieben weder Zeit noch Geld für nachhaltiges Bauen. Das hat aber zur Folge, dass Seoul heute zu den Städten der Welt gehört, die besonders viel Energie für ihre Gebäude aufwenden müssen: 57 Prozent des gesamten Energiebedarfs werden dafür benötigt, mehr als dreimal so viel wie für die Industrie und mehr als doppelt so viel wie für den Verkehr. 12
BALLUNGSZENTREN ALS ENERGIEFRESSER
Generell wird in den Städten der meiste Strom verbraucht und das meiste Kohlendioxid ausgestoßen. Asiatische und US-amerikanische Städte sind dabei gleichermaßen verschwenderisch. Den Weltrekord für den höchsten Stromverbrauch pro Einwohner dürfte Las Vegas mit seinen Casinos halten. 13 Die Stadt verbraucht über 20 Millionen
Weitere Kostenlose Bücher