Morgenstadt - wie wir morgen leben
neu eingeweiht wurde, ist es das weltweit erste Hochhaus, das nicht mehr Energie verbraucht, als es erzeugt. Gleichsam symbolisch ist es in frischen Grüntönen gestrichen und wird als Vorbild für eine gelungene Sanierung häufig von Architekten und Nachahmern besucht und bewundert. Wenn Renate Bräu von der FSB die wärmegedämmten Technikräume im 16. Stockwerk aufschließt, kann man erkennen, was sich im Hintergrund, für die Bewohner unsichtbar, alles verändert hat: „Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung versorgt das Haus kontinuierlich mit frischer Luft“, sagt Frau Bräu und zeigt auf die meterdicken, silberfarbig isolierten Rohre und Wärmetauscher. „Dabei wird im Winter die Abluft dazu verwendet, die kalte Frischluft vorzuwärmen, im Sommer dient sie zur Kühlung, weil sie dann kälter ist als die Außenluft. Um den Strombedarf für die elektrischen Systeme zu decken, wurde auf dem Dach eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von knapp 24 Kilowatt installiert.“
Auf den ersten Blick sichtbar hingegen ist die Veränderung, die mit der Außenhaut des Gebäudes vor sich gegangen ist. Alle Außenwände wurden mit einer 20 Zentimeter dicken Wärmedämmung versehen, die alten Balkone der Wohnfläche zugeschlagen und dafür neue Außenbalkone angebracht. Die Fenster wurden dreifach verglast, neue Heizkörper installiert, Aufzüge und Beleuchtung sind nun energiesparend. „Man hat auch besonders darauf geachtet, dass keine Wärmebrücken entstehen, weder bei den Rollladenkästen noch bei der Anbringung der neuen Balkone“, sagt Florian Kagerer, der am ISE das Projekt begleitet hat. „Es wurden teilweise ganz neuartige Werkstoffe dafür eingesetzt, etwa Matten aus Aerogel, die eine hohe Dämmwirkung bei geringer Dicke haben.“ Die Sorgfalt auch im Detail hat sich gelohnt: Die gesamte Gebäudehülle ist nunluftdicht, Wärmeverluste sind extrem gering. Erste Messungen ergaben, dass die Heizenergie – die nach wie vor aus einem Blockheizkraftwerk für das ganze Viertel stammt – um 78 Prozent gesenkt werden konnte, der Primärenergiebedarf für Heizung, Warmwasser und Strom fiel um 40 Prozent. „Die Ergebnisse haben wie das gesamte Projekt Modellcharakter und sollen zukünftig in vergleichbare energetische Sanierungsvorhaben einfließen“, so Kagerer.
Bei der Sanierung hatten die Bürger ein Wörtchen mitzureden: Die FSB bezog alle Betroffenen aktiv mit ein, es gab Bürgerbeteiligung während der Planungs- und Bauphase und eine ausführliche Energieberatung für die neu eingezogenen Bewohner. Heute sind die meisten Mieter mit ihrer neuen Wohnung sehr zufrieden, auch wenn die Grundflächen jetzt kleiner sind als zuvor. Die Architekten haben pro Stockwerk neun Wohnungen konzipiert, wo vorher nur sechs waren. „Man hat ja nun die Balkonflächen mit einbezogen. Und früher waren die Familien größer“, sagt Kagerer, „da benötigte man mehr Wohnfläche. Heute leben viele Mieter allein oder zu zweit in dem Haus, und generell sind die Familien kleiner. Da reichen Wohnflächen von 50 bis 70 Quadratmetern aus.“ Um die Sanierungskosten aufzubringen, mussten unter anderem die Mieten erhöht werden. Dies wirkt sich aber wegen der kleineren Zuschnitte für die Bewohner kaum aus.
Hinzu kommt, dass sie künftig wesentlich geringere Heizkosten haben und die Wohnungen völlig modernisiert wurden, was Bäder, Küchen, Türen und Böden betrifft. „Mir gefällt der Schnitt der neuen Wohnung“, sagt Anita Rieser, die nach der Sanierung wieder im 15. Stock eingezogen ist. „Ich liebe die Aussicht von meinem Balkon auf den Schwarzwald, und die Zimmer sind angenehm hell und freundlich.“ Den Auslass für die automatische Lüftung, unter dem ein Porträt ihrer Tochter hängt, hat sie noch gar nicht richtig wahrgenommen, so unauffällig ist er. Auch an kalten Wintertagen ist ihre Wohnung gemütlich warm.
„Wohnungsgesellschaften, die in Deutschland viele Tausend Häuser betreiben, spielen eine wichtige Rolle bei der energetischen Modernisierung des Landes“, sagt ISE-Forscher Sebastian Herkel. „Sie sind in der Lage, längerfristige Investitionen zu tätigen, und sie sind inzwischen aufgeschlossen für Sanierungsmaßnahmen an ihrem Gebäudebestand.“ Entsprechende Projekte entstehen seit einigen Jahren in München, Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe und vielen anderen Städten. Wesentlich schwieriger gestaltet sich die Aufgabe, Besitzer von Einfamilienhäusern dazu zu motivieren, ihr Haus energetisch
Weitere Kostenlose Bücher