Morland 02 - Die Blume des Bösen
Richter adoptiert worden war. Die Unterlagen hatten auch einen Hinweis auf einen Ort in der Nähe des Polarkreises, Horvik, enthalten; dorthin waren sie nun unterwegs.
Hakon holte tief Luft und versuchte sich wieder auf den Weg zu konzentrieren. Er hatte keine Ahnung, welche Richtung sie einschlagen sollten, um ihr Ziel zu erreichen. Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis waren er und die Lennarts zusammen nach Norden geflohen. Dort waren sie auf Tess und York sowie Henriksson und Eliasson getroffen, beide Mitglieder der Armee der Morgenröte. Nach dem tödlichen Zusammenstoß im Zug mit Swann und Egmont, bei dem neben Hagen Lennarts Frau auch eine Mitstreiterin der beiden Männer ums Leben gekommen war, waren sie gezwungengewesen, Straßen und Dörfer zu meiden, da das Innenministerium garantiert mit allen verfügbaren Mitteln an jedem Ort nach ihnen suchte.
Hakon holte tief Luft und versuchte, sich auf den Bewegungsablauf der Beine zu konzentrieren, immer einen Schritt nach dem anderen zu machen, ohne dabei zu weit nach vorne zu schauen.
Einatmen. Zwei. Drei. Vier. Ausatmen. Zwei. Drei. Vier. Das war der Rhythmus. Rhythmus war alles. Er musste nur versuchen, diesen Takt zu halten, und alles würde gut werden.
Ich werde dich verlassen, sagte Silvetta und lächelte ihn an.
Hakon schüttelte benommen den Kopf wie ein Boxer, der einen empfindlichen Treffer hatte einstecken müssen.
Einatmen. Zwei. Drei. Vier. Ausatmen. Zwei. Drei. Vier.
Ein Stall. Der Duft von Heu. Pferde, die nervös mit den Hufen scharrten. Eine Frau ... Annegret ...
Annegret schaute ihn mit einem verführerischen Lächeln an und ergriff seine Hand. Henning ist nicht da, sagte sie. Wir haben den Vormittag für uns. Komm, ich möchte dir etwas zeigen.
Hakon stöhnte und kniff die brennenden Augen zusammen. Einatmen. Zwei. Drei. Vier. Ausatmen. Zwei. Drei. Vier.
So habe ich mir mein Leben mit dir nicht vorgestellt , hörte er Silvettas Stimme in seinem Kopf.
Hakon gab ein würgendes Geräusch von sich. Einatmen. Und dann? Er konnte nicht mehr bis vier zählen! Herrgott,er wusste noch nicht einmal, was nach eins kam! Hakon bekam keine Luft mehr. Dann kippte die Welt und er schlug der Länge nach auf den mit abgestorbenen Kiefernnadeln bedeckten Waldboden.
»Hakon!«, hörte er York rufen, der sich erschrocken über ihn beugte.
Hakon versuchte zu antworten, brachte jedoch keinen Laut hervor. Dafür waren die Stimmen in seinem Kopf nicht mehr da. Nur die Mücken surrten an seinem Ohr. Endlich, als die Welt schon langsam eine rote Färbung angenommen hatte, konnte er wieder atmen.
»Es ist alles in Ordnung«, keuchte er und versuchte zu lächeln. »Mir geht es gut.«
»Ja, natürlich!«, fuhr ihn York an. »Henriksson! Kommen Sie! Schnell!«
Hakon spürte, wie sich schwere Schritte näherten, aber er konnte den Kopf nicht in die Richtung drehen, aus der sie kamen.
»Verdammt! Junge, warum hast du uns nicht gesagt, dass du nicht mehr kannst?«, fuhr ihn Henriksson an, konnte seine Besorgnis jedoch nicht verbergen.
Hakon musste trotz seines Zustandes lächeln. »Tut mir leid, aber ich war in eine Unterhaltung verstrickt, die meine ganze Aufmerksamkeit erforderte.«
»Was erzählst du denn da für einen Unsinn?«, fragte Henriksson.
Nun schob sich auch Eliasson in Hakons Sichtfeld und legte eine Hand auf seine Stirn. Besorgt schaute er auf.
»Er hat Fieber. Kommt, helft mir.«
Hakon spürte, wie er aufgerichtet wurde. Mit dem Blut wich auch etwas von der Hitze aus seinem Gesicht, das sich seltsam taub anfühlte. Eliasson öffnete eine Wasserflasche und gab ihm zu trinken. Als Hakon einige Schlucke genommen hatte, löste sich die Spannung ein wenig. Er bemerkte, wie York sorgenvoll seine Arme betrachtete. Dann öffnete ihm York das Hemd. Alle starrten ihn an.
»Oh verdammt«, murmelte Eliasson.
»Was ist los ?«, fragte Hakon und versuchte dabei, so unbekümmert wie möglich zu klingen. »Wachsen mir plötzlich Haare auf der Brust?«
»Du bist vollkommen zerstochen, das ist los«, sagte York und knöpfte das Hemd wieder zu. »Du siehst wie ein Streuselkuchen aus. Du kannst froh sein, überhaupt noch einen Tropfen Blut in deinem Körper zu haben. Warum hast du deine verdammte Jacke ausgezogen?«
»Merkst du denn nicht, wie heiß es ist?«, entgegnete Hakon müde, doch jetzt spürte er auch, dass sein Rücken dumpf glühte.
Eliasson klatschte sich in den Nacken und verzog angewidert das Gesicht, als er seine blutverschmierte Hand
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