Morton Rhu - Leben und Werk
Fehlverhalten verübt hat, sehr mögen?
In der Aufarbeitung der Ereignisse wird Shelby von Whit und Roman ebenso unterstützt wie von ihrer Tante Beth, die mit ihr unter anderem über den frühen Tod von Shelbys Bruder spricht. Shelbys Mutter fühlte sich stets für den Tod des Kleinkinds verantwortlich, nicht zuletzt, weil Mr Sloan ihr die Schuld daran gab.
Der Dialog zwischen Shelby und ihrer Tante liefert keine einfachen Antworten, sondern unterstreicht vielmehr das emotionale Labyrinth und die blinde Verzweiflung, die nicht selten zu grausamen kriminellen Handlungen führen können.
»Aber wenn Mom mich geliebt hat, warum hat sie dann …« Ich beendete den Satz nicht.
Beth schüttelte den Kopf. »Wahnsinn kann man nicht erklären, Liebes. Deine Mutter ist nicht die erste Frau, die ein Kind verloren hat, und vermutlich auch nicht die einzige, deren Mann ihr dafür die Schuld gegeben hat – trotzdem sind andere deswegen nicht zu Mörderinnen geworden. Die Schuldgefühle und die Angst, ihre Familie könnte zerbrechen … waren wohl einfach zu viel für ihre Psyche.«
»Aber gerade darum verstehe ich es nicht. Sie wusste doch aus eigener Erfahrung, wie es ist, ein Kind zu verlieren, und hat trotzdem genau diesen Schmerz den Eltern der Mädchen zugefügt, die sie umgebracht hat. Warum?«
Beth antwortete nicht.
(…)
»Wir werden vermutlich nie erfahren, was wirklich in ihr vorgegangen ist, Shels« sagte sie hilflos. »Damit müssen wir uns wohl abfinden.«
»Ja.«
Ich nickte, aber ich wusste, dass mich diese Frage trotzdem für den Rest meines Lebens verfolgen würde.
Nachwort
Es gibt nicht viele Jugendbuchautoren, denen schon mit zweiundsechzig Jahren ein Handbuch zu Leben und Werk zuteil wird. Morton Rhue hat es verdient: Sein Werdegang ist spannend und abwechslungsreich, und seine Bücher gehören zu den wichtigsten der zeitgenössischen Jugendliteratur. Mich hat besonders sein autobiografisch motivierter Roman »Über uns Stille« berührt. Eine Anekdote aus den frühen Sechzigerjahren, die Morton Rhue seinen Helden Scott nicht erleben lässt, aber die für den Autor unvergessen bleibt, soll am Ende dieses Buches nicht unerwähnt bleiben.
Die Erinnerung an den gelben Gokart mit einem Zweizylinder-Clinton-Motor, den der Nachbarsjunge Doug damals von seinen Eltern geschenkt bekam, bringt den Schriftsteller heute noch zum Schmunzeln: »Es gab für mich nichts Schöneres und nichts Schnelleres! Doug fuhr damit zur Schule, während ich voller Neid dem Heulen des Motors, das an eine elektrische Kettensäge erinnerte, lauschte. Am selben Abend fragte ich meinen Vater, ob ich auch ein Gokart bekommen könne. Sicher, antwortete der, vorausgesetzt, du bezahlst ihn. Also schippte ich den ganzen Winter Schnee bei uns und vielen Nachbarn, aber was ich bis zum Frühling zusammengespart hatte, reichte höchstens für ein Viertel von Dougs Gokart. Da entdeckte ich in einer Zeitschrift die Werbung für einen motorlosen Gokart, den ich mir gerade leisten konnte.« Sein Vater unterstützte den Eifer des Sohnes und schenkte ihm den Motor seines alten Rasenmähers dazu. »Ich verbrachte sehr viel Zeit damit, mein Gefährt aufzurüsten, und letztlich gelang es mir tatsächlich, damit zu fahren – allerdings mit vielen Hindernissen. Für einen Anlasser hatte das Geld gefehlt. Deshalb musste ich von der Garageneinfahrt aus wie ein Bobfahrer den Gokart anschieben und im richtigen Moment, nachdem der Motor angesprungen war, aufspringen. Das gelang zunächst selten und unzählige Reparaturen waren erforderlich. Aber das war mir egal, die Begeisterung und der Besitzerstolz überwogen.«
Und mit zwölf Jahren lernte Morton Rhue das Autofahren. Der Auslöser für die frühen Fahrstunden, die sein Vater ihm illegal erteilte, war die Kubakrise. Erst viele Jahre später fragte sich Morton Rhue, wo er denn hätte hinfahren sollen, falls wirklich Atombomben auf New York gefallen wären. Lebte er nicht im Sandwich? Am westlichen Ende von Long Island die verwüstete und verstrahlte Metropole, am anderen Ende der Atlantik. Autos konnten nicht schwimmen. Da hätte es keinen Fluchtweg gegeben. Aber solche Skepsis war damals nicht angebracht. »Mein Vater legte ein Telefonbuch auf den Fahrersitz, damit ich über das Lenkrad auf den großen und fast leeren Schotterparkplatz des Country-Clubs schauen konnte, wo ich meine ersten Runden drehte.« Schnell stellte der Zwölfjährige fest, wie leicht das Auto auf dem Kies die Bodenhaftung
Weitere Kostenlose Bücher