Mosaik
schüttelte den Kopf, um es zu vertreiben. Wieso erwachte die Erinnerung an den Traum ausgerechnet jetzt? Jähe Besorgnis erfaßte sie, Furcht davor, die Kontrolle über sich zu verlieren. Sie rief sich innerlich zur Ordnung und blickte wieder zum Hauptschirm.
»Der Metaphasenschild verliert seine Integrität, Captain«, sagte Chakotay.
Janeway sah ihn an. Ohne das Metaphasenprogramm gab es keine Möglichkeit für sie, so nahe bei der Sonne zu überleben.
»Können Sie ihn stabilisieren?«
»Ich versuche es. Aber ohne Energiereserven ist es alles andere als leicht.«
»Außenhüllentemperatur beträgt jetzt siebzehntausend Grad.
Strahlungsintensität bei neunzig Rad pro Minute.
Innentemperatur zweiundsechzig Grad.«
Janeway wischte sich Schweiß von der Stirn. Die Entscheidung wurde ihr aufgezwungen: Sie mußten sich von der Sonne
entfernen. Sie richtete einen zornigen Blick auf den Hauptschirm.
Die Tokath lösten sich von den Schilden.
Sie alle bemerkten es gleichzeitig. »Es klappt!« rief Paris.
Rollins bestätigte die Beobachtungen durch die jüngsten Sensordaten. »Die Lebensformen lösen sich von unseren
Schilden, Captain.«
Nacheinander fielen die braunen und grünen Körper fort, verschwanden vom Hauptschirm und gaben den Blick frei auf die lodernde Sonne. Die Temperatur auf der Brücke war jetzt fast unerträglich.
»Der Metaphasenschild steht kurz vor dem Zusammenbruch, Captain«, warnte Chakotay. »Wir müssen fort von hier.«
»Einen Augenblick. Rollins, geben Sie mir Bescheid, sobald keine Tokath mehr an den Schilden haften.«
»Sie sind alle fort, Captain. Die Sensoren registrieren keine Lebensformen mehr.«
»Der Metaphasenschild versagt…«
»Weg von hier, Lieutenant.«
Paris bediente einmal mehr die Navigationskontrollen, und das Schiff sprang fort von der Sonne. Janeway trat zum
Kommandosessel, nahm erleichtert darin Platz und hörte sich die Schadensmeldungen an.
»Schildkapazität stabil bei dreizehn Prozent…«
»Strukturschäden in der Backbordluftschleuse…«
»Leck in Höhe von Deck vierzehn…«
»Beginnen mit Reparaturarbeiten am Antriebssystem…«
»Krankenstation meldet zwölf Besatzungsmitglieder mit leichter Strahlenkrankheit…«
Die gut ausgebildete Crew wurde bereits aktiv und ergriff alle notwendigen Maßnahmen, um die volle Einsatzbereitschaft der Voyager wiederherzustellen. Es dauerte bestimmt nicht lange, bis die Reparaturarbeiten abgeschlossen waren, und dann…
Und dann was? Sollten sie den Flug fortsetzen, die
Einsatzgruppe auf dem Planeten zurücklassen, in der Hoffnung, daß Tuvok und die anderen irgendwie überlebten? Tuvok, den sie zu Anfang so abgelehnt hatte, um dann Gefallen an ihm zu finden und ihn schließlich wie einen Bruder zu lieben…
Und Kes. Und Neelix. Greta Kaie. Nate LeFevre… Über
zwanzig Personen, die sie nie wiedersehen würde…
Chakotay hatte neben ihr Platz genommen und sah sie an. Sie wandte sich ihm zu.
»… scheinen die Kazon zwar keine Gefahr mehr darzustellen, aber wir können keinen weiteren Angriff der Tokath riskieren.
Einen zweiten Aufenthalt in unmittelbarer Nähe der Sonne überstehen wir nicht.«
»Was schlagen Sie vor, Commander?«
Chakotay zögerte. Er wußte, wie ernst Janeway seine
Empfehlungen nahm. »Ich sehe keine Möglichkeit, zum Planeten zurückzukehren, Captain.«
Sie starrte ins Leere, und alles in ihr wehrte sich dagegen, dem Ersten Offizier zuzustimmen. Sie dachte über alle Aspekte der gegenwärtigen Situation nach und gelangte zu dem bitteren Schluß, daß ihr eigentlich gar keine Wahl blieb. Die Kazon schienen tatsächlich keine Gefahr mehr darzustellen, aber dafür gab es einen anderen Gegner, eine an praktisch alle
Umweltbedingungen angepaßte, enorm widerstandsfähige
Lebensform, die sich als unbesiegbar erwies.
Sie musterte Chakotay, sah in seine ruhigen, klugen, mitfühlend blickenden Augen und nickte knapp. Es war vorbei. Bei diesem Kampf hatte sie alle Mittel eingesetzt, jeden Trick benutzt – und trotzdem verloren.
Es fiel Janeway schwer, sich mit der Niederlage abzufinden. Sie fröstelte plötzlich und spürte die gleiche Benommenheit wie vor einigen Minuten. Die Phantasie zeigte ihr Bilder von der Einsatzgruppe auf dem Planeten – vielleicht wurde sie von den Tokath angegriffen. Sie fühlte sich wie von der Gegenwart und den aktuellen Ereignissen abgeschnitten. Vor ihren Augen drehte sich alles…
Eine Art Warpblase schien ihr Selbst zu umhüllen. Die Zeit gefror,
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