Mozart - Sein Leben und Schaffen
Versprechen einer Zulage für die vollendete Arbeit. Der Meister möge ganz nach Stimmung schaffen, sich aber keine Mühe geben, den Namen des Bestellers zu erfahren, da das doch vergeblich sein würde. Mozart hatte sich kaum in den Gedanken dieser Arbeit eingelebt, als er den Auftrag zur Festoper für Prag erhielt. Aber in dem Augenblicke, als er mit seiner Frau in den Reisewagen steigen wollte, stand der graue Bote da und fragte ihn, wie es denn um das Requiem siehe. Mozart konnte den Aufschub sehr gut begründen, auch habe er kein Mittel gehabt, den ihm unbekannten Besteller zu benachrichtigen, versprach aber, nach der Rückkehr aus Prag mit allen Kräften an die Arbeit zu gehen. Er hielt Wort. Unmittelbar nachdem die Zauberflöte aufgeführt war, warf er sich mit allen Kräften auf die neue Aufgabe, wie bereits die Briefe an die in Baden weilende Frau bezeugen. Kurz nach Mitte Oktober kam übrigens Konstanze wieder nach Wien zurück. Der oben angeführte kleine Brief Mozarts beweist, daß der graue Bote noch öfter bei ihm erschien.
Das Geheimnisvolle und Rätselhafte an dieser Geschichte des Requiems ist im Laufe der Zeit aufgeklärt worden. Der graue Bote war der Verwalter des Grafen Franz von Walsegg. Dieser, ein leidlicher Musikant und begeisterter Musikliebhaber, hatte den Ehrgeiz, in seiner näheren Umgebung für einen Komponisten zu gelten. So bestellte er sich bei tüchtigen Meistern gegen gute Bezahlung Kompositionen, die er dann sorgsam abschrieb und als eigne Schöpfungen von seiner Hauskapelle spielen ließ.
Das ist also alles andere, als mystisch-feierlich. Auf Mozart aber mußte die geheimnisvolle Einkleidung des Ganzen um so stärker wirken, als ihn die Beschäftigung mit der Zauberflöte in eine demWunderbaren geneigte Stimmung versetzt hatte; als er jetzt, wo er endlich an die Schöpfung des Requiems gehen konnte, immer deutlicher fühlte, daß das Unwohlsein, das ihn schon seit Wochen schwächte, viel ernster war, als alle glauben mochten, und ihn bereits in den Bereich des Todes geführt hatte. Da war es ihm innere Notwendigkeit, dieses Werk zu vollenden. Anstatt sich zu schonen, verdoppelte er seine Arbeit. Die Folgen blieben nicht aus. Mit steigendem körperlichen Unbehagen verdüsterte sich seine Stimmung. Umsonst versuchte die Gattin, den Schwermütigen zu erheitern: lustige Gesellschaft hatte ihn ja niemals für sein inneres Schaffen »zerstreuen« können, geschweige denn jetzt. Und die Natur, die er so sehr liebte, konnte in ihrem trüben Herbsteln auch nur seine Stimmung noch verdüstern. So drang ihm auf einer Spazierfahrt mit der Frau zum erstenmal das Wort über die Lippen, daß er das Requiem für sich schreibe: »Ich fühle mich zu sehr, mit mir dauert es nicht mehr lange; gewiß, man hat mir Gift gegeben – ich kann mich von diesem Gedanken nicht losmachen.« Die tief erschreckte Gattin zog den berühmten Arzt Dr. Closset zu Rate und nahm im Einverständnis mit diesem dem Gatten die Partitur des Requiems weg, da sie mit Recht davon überzeugt war, daß diese Arbeit ihn noch in seiner düsteren Stimmung bestärke. In der Tat erholte sich Mozart etwas. Er komponierte für ein Logenfest eine von Schikaneder gedichtete Kantate und konnte diese am 15. November selbst dirigieren. Die gute Aufführung weckte seinen Lebensmut; der Gedanke an die Vergiftung erschien ihm jetzt selber als Ausfluß seines krankhaften Zustandes, und so willfahrte man unbedenklich seinem Wunsche, sich wieder dem Requiem zu widmen. Aber die Besserung hielt nur wenige Tage an. Es muß zwei, drei Tage nach jener Aufführung gewesen sein, als Mozart in das Bierhaus »Zur silbernen Schlange« kam, dessen Verwalter Deiner für ihn mancherlei Geschäfte treu besorgte. Das Glas Wein, das er sich bestellte, trank er nicht aus, ließ sich auch von Deiner nicht aufheitern. Es sei »ausmusiziert«, meinte er, bestellte aber den Mann auf den nächsten Tag, um Holz zu besorgen, da ihm in der herbstlichen Witterung eigentümlich kalt war. AlsDeiner am nächsten Tag kam, lag Mozart zu Bett. Er hat es von da ab nicht mehr verlassen, fünfzehn Tage lang. Indessen blieb er immer bei Besinnung. Der Zustand verschlimmerte sich bedenklich, daß seine Glieder anschwollen und unbeweglich wurden. Heftiges Erbrechen kam dazu.
Noch nicht sechsunddreißig Jahre zählte der Mann, der hier mit klarem Bewußtsein dem Tode entgegenging. Es war kein leichtes Sterben für einen Gatten und Vater, der seine Angehörigen so innig liebte und
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