Mr. Fire und ich, Band 5 (German Edition)
seiner nicht würdig, nicht wahr?
Aber Daniel ist noch nicht fertig mit seinen verletzenden Worten:
„Es war ein Fehler, auf dich zu hören, als du mir geraten hast, mich mit meinem Vater zu treffen. Eine reine Zeitverschwendung.“
Ich habe das unangenehme Gefühl, dass er mit einer Untergebenen spricht, mit der er unzufrieden ist. Aber das will ich mir nicht gefallen lassen:
„Mit seinen Eltern zu sprechen ist nie eine Zeitverschwendung.“
„Ach, wirklich?“
Dieselben Worte im Abstand von wenigen Minuten, aber was für ein Unterschied! Daniel ist ein Meister darin, anderen seine Überlegenheit zu demonstrieren. Dafür liefert er mir wieder einmal den Beweis.
Ich versuche es auf eine andere Art:
„Und wenn deine Mutter Angst vor dem hat, was dein Vater dir sagen will?“
„Wie gesagt, du sprichst von Dingen, über die du nichts weißt. Das nervt allmählich.“
Sein Ton ist beinahe drohend, aber ich nehme keine Notiz davon.
„Ich finde das Verhalten deiner Mutter heillos übertrieben.“
Ist doch so.
„Ich möchte dich bitten, nicht über sie zu urteilen.“
Kein Imperativ, aber durchaus ein Befehl. Ich bin zu weit gegangen.
„Daniel, entschuldige. Ich wollte nicht ...“
„Egal“, sagt Daniel mit herablassender Miene. „Für diese Diskussion besteht keinerlei Anlass.“
Das Dessert wird bei eisernem Schweigen serviert. Nie hätte ich mir träumen lassen, einmal ein so leckeres Schoko-Krokant essen zu dürfen. Aber es ist nichts zu machen, ich kriege es nicht hinunter.
Wie wird Daniel diesmal reagieren?
Die Antwort fällt beim Kaffee:
„Ich fliege gleich nach New York. Ich werde mich in dem Hotel einquartieren, in dem wir uns kennengelernt haben.“
Ich wage nicht mehr, Daniel anzusehen. Tränen schießen mir in die Augen. Warum sagt er das zu mir? Bin ich so austauschbar? Ich hebe wieder den Kopf und gebe in möglichst lockerem Tonfall zurück:
„Wie schön. Ich gehe morgen Abend mit Tom und Sarah essen, also hätte ich sowieso keine Zeit für dich gehabt.“
„Ach, wirklich?“
Diesmal macht er sich über mich lustig. Das ironische Lächeln, das über seine Lippen läuft, lässt daran keinen Zweifel. Ich fahre fort:
„Wann kommst du zurück?“
„Weiß ich noch nicht. Kommt darauf an, wie viel Arbeit mich dort erwartet. Ich halte dich auf dem Laufenden.“
Zu gütig!
Eine Bedienung erklärt Daniel, dass sein Taxi wartet.
Geht er nun einfach so?
Mein Entsetzen scheint sich in meinem Blick widerzuspiegeln, denn Daniel lächelt mir beruhigend zu.
„Behalte dein Telefon im Blick“, flüstert er mir zu, bevor er mir einen leidenschaftlichen Kuss gibt.
Ich beobachte, wie er ins Taxi steigt und sich entfernt. Ich weiß nicht, was ich denken soll.
***
Ein paar Minuten später vibriert mein Handy. Ohne hinzuschauen hebe ich ab:
„Daniel, es tut mir wirklich leid. Ich wollte nie über deine Mutter urteilen!“
„Oh là là, bist du schon so weit, dass du es mit deiner künftigen Schwiegermutter aufnimmst? Liebe Julia, ich habe ein paar Folgen verpasst!“
Sarah!
Die Stimme meiner Freundin ist wie beruhigender Balsam für meine Ohren. Sollte ich Zweifel gehegt haben, dass Menschen, die sich mögen, miteinander „verbunden“ sind, haben sie sich nun in Luft aufgelöst.
„Sarah, von wo aus rufst du an? Ich bin es inzwischen schon so gewohnt, nur Mails von dir zu lesen, dass es mich jetzt wirklich freut, deine Stimme zu hören!“
„Nun ja, ich konnte keinen Tag länger auf meine Rückreise warten. Du hast mir gefehlt, Paris hat mir gefehlt ... Und Luca war allzu präsent.“
Luca ist Sarahs Ex-Freund. Ihre Trennung ist noch ganz frisch. Zu frisch, Sarahs traurigem Tonfall nach zu urteilen. Sie sollte erst morgen von Sizilien nach Hause kommen.
„Bist du am Flughafen? Willst du, dass ich dich abhole?“
„Ich bin gerade erst gelandet. Mach dir keine Sorgen, in einer Stunde bin ich in der Wohnung. Treffen wir uns dort?“
„Ja, ich freue mich!“
Sarah ist zurück! Ich könnte auf der Straße tanzen, so froh bin ich! Mit einem Lächeln auf den Lippen laufe ich zur Metro.
***
Es ist mehr als sechs Monate her, dass ich Sarah zuletzt gesehen habe. Bei meiner Abreise nach New York hat sie mich zum Flughafen begleitet. Sie ist auch diejenige, der ich zuerst von Daniel erzählt habe. Sie war für mich schon immer eine aufmerksame Zuhörerin und in vielen Fällen eine gute Ratgeberin. Auch wenn ich weiß, dass ich in den letzten sechs Monaten reifer geworden
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