Mr. Fire und ich, Band 5 (German Edition)
könnte schwören, dass meine Freundin genau weiß, woran ich gerade gedacht habe.
„Wir müssen los!“, erwidere ich, um meine Verwirrung zu überspielen.
Leise vor sich hin lächelnd schließt Sarah die Wohnungstür hinter uns.
„Hi Julia! It's a pleasure to see you!“
„Hi Tom! Let me introduce you to Sarah, my best friend.“
„Hi Tom!“, sagt Sarah und gibt ihm nach amerikanischer Sitte die Hand.
Tom lächelt entzückt und weicht zugleich ein bisschen zurück, als er Sarah sieht. Hatte er vergessen, dass ich in Begleitung kommen würde? Meine Freundin verwirrt ihn, das ist offensichtlich. Und obwohl sie versucht es zu verbergen, ist auch Sarah verwirrt. Ich lächle. Tom scheint vom „nicht so tollen Jungen“ zum Status „charmante Möglichkeit“ aufgerückt zu sein. Der Abend verspricht interessant zu werden!
Sarah hat den perfekten Ort gewählt: das
Speakeasy
ist eine trendige und zugleich gemütliche Pianobar. Trotz der vielen Besucher fühlen wir uns sofort wohl. Die Musik ist gut hörbar, aber nicht zu laut und gefällt uns sehr. Ich weiß, dass Tom diese Art von Lokal besonders gern mag.
Sehr schnell kommen wir auf New York zu sprechen, wo Sarah schon mehrere Male hingereist ist. Tom und Sarah finden heraus, dass sie eine gemeinsame Leidenschaft haben: die Fotografie. Wir erzählen ihr von der letzten Ausstellung, die wir im
MET
gesehen haben und sie erzählt uns von einer anderen über Andy Warhol, die Anfang September beginnen wird und die sie auf jeden Fall sehen möchte. Tom bietet an, ihr alles zu zeigen.
Meine beiden Freunde starten schon gemeinsam in die Zukunft! Ich bin entzückt zu sehen, wie das geheime Einverständnis zwischen ihnen wächst. Ich ertappe Tom, wie er ihr zärtliche Blicke zuwirft und muss über Sarahs kokettes Mienenspiel schmunzeln. Dennoch kann ich nicht umhin, das junge Paar, das sie bilden, mit Daniel und mir zu vergleichen. Bilden wir überhaupt ein Paar? Möglicherweise, aber auf eine ganz andere Art. Tom, der gerade auf die Schnelle einen Rosenverkäufer entdeckt hat, stürzt hinter ihm her. Ein paar Minuten später kommt er zurück, beladen mit allen roten Rosen, die er kaufen konnte. Daniel ist kein Romantiker. Bisher hatten alle Geschenke, die er mir gemacht hat, einen ganz präzisen Sinn: „Ich entscheide darüber, was gut für dich ist.“ Allerdings muss ich zugeben, dass mir das gefällt. Ich mag, dass er mir den Weg zeigt, dass er Wünsche in mir weckt, die mir ohne ihn nie in den Sinn gekommen wären. Er gibt mir Selbstvertrauen. Mit ihm fühle ich mich frei, ich selbst zu sein.
Wo bist du, Daniel? Womit habe ich dein Schweigen verdient?
„Julia? Are you good?“
„Don't worry Tom, I feel very well.“
Aber Sarah schaltet sich ein:
„Julia has no news from Daniel.“
„Oh!“
Tom scheint erbost.
„This guy is not correct, Julia! That's not the first time I am warning Julia about him, you know Sarah? You're a person, Julia, a very smart person. Not only a new object in Daniel Wietermann's collection!“
Ich bin verblüfft. Das ist das erste Mal, dass ich Tom so heftig erlebe. Er hat mich zwar schon mehrere Male vor Daniel gewarnt, aber ich hätte nie gedacht, dass er dabei wütend werden könnte. Aber mein bester Freund sieht tatsächlich wütend aus. Tief in meinem Inneren fühle ich mich geschmeichelt. Ein anderer Teil von mir wiederum sträubt sich: Er kennt ihn nicht so wie ich ihn kenne! Ich verstehe, dass Daniels oftmals dominantes Verhalten schockieren kann. Es fällt mir schwer, ihnen zu erklären, dass ich trotz meiner Zweifel noch nie etwas so Inniges mit jemandem erlebt habe. Gerade will ich Daniel verteidigen, da ergreift Sarah das Wort:
„Julia, it seems that you have two real friends around this table tonight.“
Unnötig, sich weiter darüber zu streiten: Sie haben recht. Nach einem letzten Blick auf mein beharrlich schweigendes Telefon schlage ich ihnen vor, gemeinsam anzustoßen.
„To friends!“
„Cheers!“
„Cheers!“
Wir trinken und genießen dabei die Musik. Sarah und Tom haben eine Diskussion über die Anfänge der Schwarz-Weiß-Fotografie angefangen, bei der ich nicht weiter zuhöre. Unter dem Vorwand, ich sei müde, was bei Weitem noch nicht der Fall ist, erkläre ich, dass es spät ist, verabschiede mich von Tom und wünsche ihm eine gute Reise. Ich merke genau, dass er ein bisschen hilflos ist, als er mich gehen sieht, aber Sarah wird ihn zweifellos beruhigen. Nachdem ich meiner Freundin ein
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