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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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alles für die Schule fertig?«
    »Ja.«
    Dann würde Tommie ins Badezimmer gehen und alle Sachen von ihrer Mutter und die von Jessie zur Seite räumen und die Badewanne volllaufen lassen und sich mit dem Rasierer ihrer Mutter die Beine rasieren. Zum ersten Mal.
    * * *

Am ersten Montag nach der Beerdigung seines Vaters riss der schwere, dunkle, tief hängende Himmel auf, bevor das erste Tageslicht über den Horizont im Osten gekrochen war. Der Regen prasselte auf den Beton und sammelte sich in bunten öligen Pfützen. Die kalten Bilder waren eine Ankündigung des Winters, eine erste Ahnung von den dunklen Morgen und Nachmittagen, die das Herz eines Menschen im Mittleren Westen mit Beklommenheit erfüllten.
    Missmutig ging David Lamb frühmorgens, die Jeans und die Baseballkappe seines Vaters durchweicht vom Regen, sodass sie fast durchgehend dunkelblau waren, ins Büro, um zu packen und seinen Schreibtisch frei zu räumen. Als Wilson in seinem langen Mantel hereinkam – sein dunkler Regenschirm hinterließ eine lange Wasserspur –, saß Lamb auf der Tischkante und sah zur Tür.
    »Tut mir leid, David.« Wilson blieb in der Tür stehen. Früher einmal hatte Wilson ihn Lamb genannt. Hatte David und Cathy zum Essen in sein Haus in Evanston eingeladen, wo er mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern wohnte und wo die Küche hell von dem Widerschein des klaren, gleichmäßigen Lichts war, das von der metallenen Fläche des Sees vor den Terrassentüren hereinströmte.
    Es hatte eine Zeit gegeben, das war zehn Jahre her, da hatten er und Wilson sich nach der Arbeit zusammengesetzt und über den Fünfjahresplan gesprochen, dann über einen Zehnjahresplan, dann über einen für zwanzig Jahre. Waren fröhlich dabei, ihre eigene Firma aufzubauen, als gleichberechtigte Partner.
    Sie machten zusammen Ferien, dann ein zweites Mal, zusammen mit ihren Frauen und den Töchtern der Wilsons.
    »Er war ein guter Kerl«, sagte Wilson.
    »Danke.«
    Wilson hielt einen Kaffeebecher aus rostfreiem Stahl in derHand und hob ihn hoch als Vorbereitung, dass er sich gleich mit einer Entschuldigung entfernen würde.
    »Es ist eins nach dem anderen«, sagte Lamb.
    »Ist die Familie gekommen?«
    Lamb nickte. »Wohnen bei Cathy und mir.«
    Wilson blickte auf seine Schuhe hinunter, seine Ohren waren rot. »Du hast einen ganz schönen Schlamassel angerichtet, David.«
    »Mit dem Mädchen.«
    »Mit dem Mädchen.«
    »Sie kommt schon klar. Solange sie mich eine Weile lang nicht sieht.«
    »Das macht es verdammt schwierig für mich.«
    »Das ist mir klar.«
    »Weiß sie, dass du gehst?«
    Lamb sagte nichts.
    »Himmel, David.«
    »Kannst du mir ein paar Wochen geben, Wilson? Ich brauche ein paar Wochen.«
    »Sie weiß auch nicht, dass du geschieden bist.«
    In Lambs Gesicht stieg Röte auf. »Du hast mit Cathy gesprochen.«
    »Vor Monaten, David. Im Juli.« Das war bestimmt kein leichtes Gespräch für einen Mann wie Wilson. »Es gibt Grenzen, mehr kann ich nicht tun. Das hier geht ziemlich über meine Kompetenzen.«
    Lamb sagte nichts.
    »Die Stelle ist fantastisch für Linnie, David. Und sie macht ihre Sache gut.«
    »Ich weiß.«
    »Mach ihre Karriere nicht kaputt. Nimm dir drei Wochen. Oder einen ganzen Monat, okay? Klär das mit dir selbst.«
    »Ich verstehe.«
    »Ich, wir alle wollen, dass du weitermachst. Trotz allem.«
    »Okay.«
    »Ich übernehme deine Kunden, bis wir von dir hören.«
    »Ich kann mich weiter drum kümmern.«
    »Nein.« Er trat zurück in den Flur. »Ich sage Karen, sie soll Anrufe für dich an mich weiterleiten. Es ist nur für ein paar Wochen. Geh du ruhig.«
    Auf dem Weg aus dem Büro, unter dem Arm den Karton, begegnete er Linnie; sie trug den langen blauen Regenmantel, den er ihr gekauft hatte.
    »Oh«, sagte er. »Du bist früh dran.«
    Wasser lief ihr aus den Haarspitzen. »Wohin gehst du?«
    »Ich mache heute ein paar Anrufe«, sagte er. »Arbeite von zu Hause.«
    Er sah sich um, hob ihr Kinn an und küsste sie auf die Lippen und die Mundwinkel.
    »Kommst du zum Essen?« Sie machte einen Schritt zurück und sah in den Regen hinaus, sie hatte ihn nicht bitten wollen. »Ich habe einen sehr guten Wein.«
    »Ich weiß, was du hast.« Die Hitze stieg ihr ins Gesicht. Sie war ein schönes junges Mädchen. Eine Frau. Er sah auf die Uhr. »Ich glaube nicht, dass ich so lange warten kann.«
    »Wie du meinst.«
    Er senkte seine Stimme: »Kannst du deinen Regenmantel aufhalten, für mich?«
    »David. Wir haben uns seit zwei

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