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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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sich.
    »He«, sagte Lamb, »kannst du nicht still sein und einen Mann schlafen lassen?«
    »Draußen auf deinem Fahrweg ist jemand. Zwei Jemande, um genau zu sein.«
    David richtete sich auf, und zusammen sahen sie, wie ein weißer Suburban hinter einem schwarzen Jeep fuhr.
    »Die fahren zu den Fosters.«
    »Zu dem alten Mann?«
    »Seine Frau liegt im Sterben.«
    »Ach. Traurig.«
    »Sie ist an irgendwelche Apparate angeschlossen und liegtdie ganze Zeit im Bett. Ich habe gesehen, wie er eine Schüssel warmes Wasser bringt und ihr das Gesicht mit einem Waschlappen wäscht.«
    »Wie traurig.«
    »Manchmal stirbt der Pflegende zuerst. Du weißt, was ich meine.«
    »Was?«
    »Ich muss dafür sorgen, dass ich ein paar weitere junge Mädchen finde, die sich um mich kümmern, wenn ich auf dem Sterbebett liege.«
    »Oh, ich bitte dich. Du redest, als wärst du ein alter Mann.«
    »Ich bin ein alter Mann.«
    »Gar nicht wahr.«
    Lamb stand auf und füllte eiskaltes Flusswasser, das draußen vor der Tür stand, in die Kaffeekanne aus Emaille und stellte sie auf den Ofen. Er machte die Ofentür auf, stocherte im Feuer und legte ein frisches Scheit obenauf.
    »Meinst du, sie brauchen Hilfe, oder so? Da scheint ja einiges los zu sein.« Sie kniete auf der Couch, die Decken um die Schultern gezogen.
    »Ich meine«, sagte er und zog die Überdecke und dann eine Wolldecke nach der anderen ab, bis sie nackt und zitternd auf der schäbigen, staubigen Couch enthüllt war, »dass eine Kältefront im Anzug ist.«
    »Meinst du wirklich?« Sie lehnte sich über die Couch und griff nach einer der Decken, die er in der Hand hielt.
    »Wir kriegen den ersten heftigen Schnee. Ist auch Zeit«, sagte er und blickte prüfend in den Himmel. »Vielleicht lagern sie da unten nur genügend Vorräte ein, und die Krankenschwester von der ambulanten Pflege sieht nach dem Rechten, damit alles vorbereitet ist, wenn der Schnee kommt.«
    Die Wolken hingen niedrig und zogen sich zusammen, und um die Sonne war ein dunstiger Kreis.
    »Glaubst du, wir werden eingeschneit?«
    »Vielleicht, wenn es Schneetreiben gibt. Der Schnee hat schon mal bis zu den Fensterbänken gelegen.«
    »Schneehöhle.«
    »Dann suchen wir alle Decken im Haus auf unserem Bett zusammen und vernageln das Badezimmerfenster, ja?«
    »Machen wir.«
    »Ich habe genügend Lebensmittel in der Werkstatt. Die holen wir rein, dann brauchen wir uns nicht vom Ofen wegzubewegen.«
    Lamb und Linnie beobachteten, wie die Wetterfront näherkam und die Wolken immer tiefer sanken, sodass sie fast zwischen die Hütte und die Werkstatt zu fallen schienen. Während sie den Eintopf aus der Dose und die in der Pfanne getoasteten Haferkekse aßen, ließ der Wind nach. Die Bäume vor dem Fenster erstarrten, das unablässige Rauschen und Knattern des Windes verstummte, und Schnee begann zu fallen. Er fiel leicht und sanft und ganz gerade wie ein zarter Vorhang, und er war dick und schwer und feucht – seltsamer Schnee im Herbst in den Bergen. Rundum ein dumpfes Rumpeln. Gewitter und Schnee. Lamb schüttelte den Kopf und hielt Linnie auf der Ausziehcouch vor dem Fenster im Arm.
    »Wunderschön. Es sieht aus, als würden die Blitze den Boden berühren.«
    »Weil wir hier so hoch sind.«
    »Kann ich nicht hier mit dir leben und deine Geliebte sein?«
    »Es würde dich langweilen. Hier gibt es nichts zu tun.«
    »Du wärst hier.«
    »Ach, du. Komm her.«
    Die Nacht war mild, und der Schnee ergoss sich wie Milch in die Gräben und über den Fahrweg und füllte alle Ritzen und Lücken, bis alles blau und weiß im Dunkeln war. Lamb wich die ganze Nacht nicht von Linnies Seite und vertraute darauf, dass das Mädchen in der Werkstatt warm und geborgen schlief. Nach Mitternacht nahm der Wind wieder zu, trieb die Schneewolken nach Süden und Osten und wehte den Schnee, der schon gefallen war, zu großen Schneewehen an die Werkstatt und die Hütte und über die Straße.
    Am sehr frühen Morgen, es wurde gerade erst hell, wurden sie beide von einem Klopfen an der Tür geweckt. Lamb zog sich seine Jeans an, guckte raus und machte die Tür auf. Eine feine Schneewolke trieb um seine Füße herum ins Haus. Als er die Tür öffnete, sprach ein Mann mit leiser Stimme, und Lamb hatte das Gefühl, sein Kopf würde sich mit Schnee füllen und sein Denken hätte einen Moment lang ausgesetzt und würde von aufkommender Gefahr verdunkelt.
    »Sie hatte das Feuer im Schuppen schön hoch gebaut und beteuert, dass alles in Ordnung ist«,

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