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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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Geschichte. Sie heben das Fundament aus und gießen Beton hinein undschippen die Erde mit dem Bagger von dieser Seite auf die andere Seite des Zauns, und sie besorgen sich eine Rolle Wellblech. Klar?«
    Linnie klopfte sich das Kissen zurecht und sah ihn an.
    »Und die ganze Zeit läuft das Kind überall herum – klettert auf den Erdhaufen, stampft über die Wellbleche, wie eine wilde Ziege, steigt auf die Bäume und hat die Hände im Zement, und eines Tages um die Mittagszeit kann niemand das Kind finden –, es sollte den Eistee bringen, aber sie können es nicht finden. Es ist einfach verschwunden. Sie wissen weder wo noch wie, und natürlich alarmiert die Frau den Sheriff, und der Sheriff kommt mit seinen Leuten zu Pferde, und zwei Wochen lang durchkämmen sie das Gebiet mit Männern und Pferden, bis zu den Ausläufern der Berge, und suchen nach Spuren von dem Mädchen. Dunkle Raubvögel kreisen im überblauen Himmel, Männer mit schweißfeuchten Hüten verschwinden in der schimmernden Hitze, zwischen den weißen Säulen der Bäume. In der dritten Woche bringen sie die Spürhunde raus, aber die finden natürlich auch nichts. In ihrer Trauer und Fassungslosigkeit stellen Foster und Calhoun die Werkstatt fertig. Sie arbeiten sehr sorgfältig und bewusst, um nicht wahnsinnig zu werden, verstehst du? Den ersten Winter lassen sie die Werkstatt leer und kalt stehen, wie ein Grab, aber irgendwann – weil sie so nützlich ist – fängt Calhoun an, sie zu benutzen. Zieht praktisch ein. Kümmert sich nicht weiter um die Hütte.«
    »Deswegen ist die in diesem Zustand.«
    »Genau. Und ich will dir was sagen, Linnie. Man fühlt sich hier beobachtet.«
    »Meinst du?«
    »Ganz viele Leute haben gesagt, dass sie das Mädchen gesehen hätten, und als der Erste, der das hier kaufen wollte – er hatte schon ein Angebot gemacht, es war auch schon angenommenworden –, als der herausfand, dass es in dem Haus spukt, hat er – stell dir vor – den Vertrag wieder aufgelöst.«
    »Ist das wahr?«
    »Ja.«
    »Und das Mädchen treibt hier immer noch sein Unwesen?«
    »Nicht nur das. Foster kommt jeden Abend mit einer Taschenlampe hier vorbei.«
    »Du schwindelst.«
    »Nein, ich sage die Wahrheit, Linnie. Wir können ihn heute Abend abpassen.«
    »Er sucht immer noch das Kind?«
    »Was immer mit ihm geschehen ist, ich behaupte, entweder Calhoun oder Foster haben was gewusst. Sie haben das immer für sich behalten.«
    »Kannst du dir vorstellen, deiner Frau so etwas zu verschweigen? Oder deiner Schwester?«
    »Foster ist ein armer Kerl, Linnie.«
    »Und die Sache quält ihn.«
    »Was ich mir denke: Was immer geschehen ist, es ging schnell. Und der alte Smiley – sagen wir, es war Calhoun. Vielleicht hat er das Kind gar nicht umgebracht. Vielleicht war er einfach dabei, als es gestürzt ist – oder so, weißt du? Aber er fühlte sich schuldig – wer weiß, warum, wer weiß, was für eine Geschichte er hat. Er war schneller und verrückter, als die Leute gemeinhin angenommen haben.«
    »Und du hast das Mädchen gesehen?« Sie lächelte schräg. »Diesen Geist?«
    »Linnie.« Er beugte sich im Dunkeln über sie und kam mit dem Mund an ihr Ohr. »Ich habe sogar mit ihm gesprochen.«
    »Uhh. Komm her. Meine Hände sind Eisblöcke. Was sagt es denn?«
    »Es ist in mich verliebt.«
    »Na klar.«
    »Nein, im Ernst. Sie will immer bei mir bleiben. Sie will, dass ich sie heirate. Sie will meine Geisterbabys bekommen. Hier. Rück mal.«
    »Ich weiß nicht, ganz geheuer ist mir die Sache nicht.«
    »Meinst du das mit uns oder die Geschichte?«
    »Die Geschichte.«
    »So hart ist der Boden gar nicht.«
    »Nein.«
    »Dreh dich um. Hier, nimm ein Kissen.«
    »Erzählst du mir noch eine Geschichte?«
    »Ich erzähle dir das nächste Kapitel. Ich erzähle dir, wie es weiterging, als ich in das Zimmer nebenan kam und die kleine Leiche sah, und die Mäuse liefen ihr übers Gesicht.«
    »Gott! David, das ist ja schrecklich. Ich will dich gerade küssen. Kann die Geschichte nicht warten?«
    »Sie ist sowieso besser, wenn man sie im Dunkeln erzählt.«
    Linnie sah zu ihm auf und lächelte. »Ach, sei still.«
    * * *
    Tommie war im Nachthemd und stand lange an der Tür zur Werkstatt, atmete, lauschte, hielt den Atem an, lauschte: nichts. Im Ofen zischte und krachte das Holz. Acht Uhr und dunkel wie um Mitternacht. Ihre Stimmen hatten schon vor einiger Zeit aufgehört zu summen. Aber sie hätte es gemerkt, wenn sie in die Hütte gegangen wären

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