Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
gegenseitig zu bekämpfen. Ansonsten hat Harry dich und Tucker, und ihr könnt ihr auf die Sprünge helfen, wenn sie zuhört.«
»Auf mich hört sie – meistens. Sie kann aber auch sehr stur sein. Selektives Hörvermögen.«
»So sind sie alle.« Paddy nickte ernsthaft. »He, wollen wir über die vordere Weide rennen, auf den Walnussbaum am Bach klettern, den großen Ast entlanglaufen und auf der anderen Seite runterspringen? Wir können im Nu an eurer Hintertür sein. Wetten, ich bin Erster.«
»Also los!«
Sie rasten wie die Verrückten und kamen an die hintere Verandatür. Harry, die Kaffeetasse in der Hand und noch verschlafen, machte auf. Die beiden stürmten in die Küche.
»Auf Katzentour?« Lächelnd kraulte sie Mrs Murphys Kopf. Und Paddys auch.
20
Eine klirrende Nacht mit hellen Sternen wie Diamantensplitter lieferte den perfekten Rahmen für Halloween. Jedes Jahr wurde in der Crozet High School, kurz CHS genannt, die Ernteausstellung veranstaltet. Bevor die Schule 1892 erbaut wurde, fand die Ausstellung auf einer Wiese gegenüber dem Bahnhof statt. Die Schule war ein prunkvolles Musterbeispiel für die viktorianische Architektur. Man konnte sie nur lieben oder hassen. Da fast alle, die den Ernteball besuchten, auf der CHS ihren Abschluss gemacht hatten, liebten sie sie.
Nicht so Mim Sanburne, die Madeira-Absolventin war, und auch nicht Little Marilyn, die in die Pfennigabsatzstapfen ihrer Mutter getreten war. Nein, die CHS hatte den Beigeschmack des Vulgären, Pöbelhaften, der Massenanstalt. Jim Sanburne, der Bürgermeister von Crozet, hatte 1939 auf der CHS seinen Abschluss gemacht. Er schritt gemessen zwischen den Tischreihen auf und ab, die auf dem Footballfeld aufgestellt waren. Die Tische waren beladen mit Mais, Speisekürbissen, Kartoffeln, Weizengarben und riesengroßen Zierkürbissen.
Der Bürgermeister von Crozet und sein Schwiegersohn hatten am Morgen die Wettbewerbsmeldungen in Listen eingetragen. Um Unparteilichkeit zu gewährleisten, trug Fitz alle Meldungen von Bodenerzeugnissen ein. Da sein Schwiegervater diese Kategorie zu beurteilen hatte, war es ratsam, dass er die Produkte nicht vorzeitig zu sehen bekam.
Die handwerklichen Erzeugnisse waren in den Schulfluren ausgestellt. Mrs Hogendobber machte ein, zwei Schritte, blieb stehen, begutachtete, rieb sich das Kinn, setzte ihre Brille ab und wieder auf und sagte: »Hmmm.« Diesen Vorgang wiederholte sie vor jedem Ausstellungsstück. Miranda führte die Beurteilung der Handwerkskunst in ungeahnte Höhen der Seriosität.
Die Turnhalle, als Hexenhöhle dekoriert, war nach der Preisverleihung der Treffpunkt für alle. Der Tanz lockte selbst Lahme und Gebrechliche. Alles, was atmete, ließ sich sehen. Rick Shaw und Cynthia Cooper saßen in der Turnhalle und beurteilten Kostüme. Kinder tollten als Ninja Turtles, Engel, Teufel und Cowboys herum, und ein kleines Mädchen, dessen Eltern auf ihrem Hof Milchwirtschaft betrieben, war als Milchkarton gekommen. Die Teenager, ebenfalls kostümiert, zogen es vor, unter sich zu bleiben; aber da die Dekoration für den Ernteball den Schülern der CHS zufiel, heimsten sie Ehre ein. Jede Abschlussklasse hatte den Ehrgeiz, die vorjährige zu übertreffen. Die Klassen der Unter- und Mittelstufe wurden verpflichtet, ebenfalls mitzuhelfen, und am Halloweentag fiel der Unterricht aus, damit sie die Dekorationen anbringen konnten.
Während Harry, Susan und Blair an den Ausstellungsstücken vorbeischlenderten, bewunderten sie die kleinen fliegenden Hexen über ihnen. Die Elektronikfreaks der Schule hatten komplizierte Drahtsysteme konstruiert, mit deren Hilfe die Hexen per Fernbedienung gesteuert wurden. Auch Gespenster und Kobolde flogen umher. Die Aufregung steigerte sich; denn wenn dies der Auftakt war, wie würde dann erst der Tanz sein? Der bildete jedes Mal den Höhepunkt.
Harry und Susan, deren Klasse 1976 den Ernteball gestaltet hatte, gestanden wehmütig ein, dass dies die besten Dekorationen waren, die sie seit damals gesehen hatten. Mit Krepppapier gaben sich diese Jugendlichen nicht zufrieden. Die Farben Orange und Schwarz schlängelten sich in streng-sinnlicher Art-déco-Manier über die Wände und die im Freien stehenden Tische. Susan nahm voller Stolz die Glückwünsche der anderen Eltern entgegen. Ihr Sohn Danny vertrat die Mittelstufe im Dekorationsausschuss, und die fliegenden Dämonen waren seine Idee gewesen. Er war entschlossen, seine Mutter auszustechen, und war schon auf
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