Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
Freude darüber, seine Exfrau zu sehen, machte er einen Luftsprung.
»Auf der Jagd, Süße? Komm, wir tun uns zusammen.«
»Danke, Paddy, ich kann das besser allein.«
Er setzte sich und schlug mit dem Schwanz. »Das sagst du immer. Weißt du, Murph, du bleibst nicht ewig jung und schön.«
»Du auch nicht«, antwortete sie schnippisch. »Treibst du dich noch mit der silbergrauen Schlampe herum?«
»Ach die? Die hat mich genervt.« Paddy sprach von einer seiner zahlreichen Liebschaften. Bei dieser handelte es sich um eine silbergraue Langhaarkatze von außerordentlicher Schönheit. »Ich kann es nicht ausstehen, wenn sie jeden Augenblick wissen wollen, wo du gewesen bist und was du denkst. Ich mach jetzt mal Pause.« Seine rosa Zunge unterstrich die Wirkung seiner weißen Reißzähne. »Du hast das nie getan.«
»Ich hatte selbst zu viel zu tun, um mich auch noch darum zu scheren, was du gemacht hast.« Sie wechselte das Thema. »Hast du was erwischt?«
»Die Jagd läuft nicht gut. Lassen wir sie noch ein bisschen hungriger werden, dann fangen wir uns ein paar. Die Feldmäuse sind zur Zeit dick und zufrieden.«
»Wo kommst du jetzt her?«
»Yellow Mountain. Ich bin mitten in der Nacht weg von zu Hause. Ich hab ja das Türchen – ich verstehe nicht, warum Harry dir nicht so eins einbaut. Also, eigentlich wollte ich zum ersten Eisenbahntunnel, aber der war mir zu weit, und die Jagdaussichten waren sowieso trübe, da bin ich lieber den Berg raufgezockelt.«
»Und da war auch nicht viel zu holen?«
»Nein«, erwiderte er.
»Paddy, hast du von den Leichenteilen auf dem Friedhof gehört?«
»Na und, was soll’s? Die Menschen bringen sich gegenseitig um, und dann tun sie so, als ob sie es schrecklich fänden. Wenn es so schrecklich ist, warum tun sie’s dann so oft?«
»Keine Ahnung.«
»Und überleg doch mal, Murphy. Wenn der neue Mensch zu Hause ist, warum schleppt der Mörder dann die Leichenteile seine Zufahrt rauf? Zu riskant.«
»Vielleicht wusste er nicht, dass der Mann eingezogen war.«
»In Crozet? Wenn du niest, sagt dein Nachbar ›Gesundheit!‹. Ich glaube, er oder sie hat irgendwo im Umkreis von etwa einem Kilometer geparkt – zwei Beine und zwei Hände sind nicht so schwer zu tragen. Ist von der Yellow Mountain Road gekommen, in den alten Forstweg eingebogen und durch den Wald und über die Weide zum Friedhof gegangen. Ihr hättet die Person von eurem Grundstück aus nicht sehen können, außer von der Westweide. Ihr seid aber meistens bei Sonnenuntergang nicht mehr auf der Westweide, weil die Pferde schon in ihre Boxen gebracht wurden. Dieser Neue, der war ein Risiko, aber der Friedhof ist weit genug vom Haus entfernt, sodass er dort zwar jemanden hätte sehen können, aber ich bezweifle, dass er etwas hören konnte. Natürlich kann es auch sein, dass es der Neue selber war.«
Mrs Murphy klopfte auf ein totes Blatt. »Da ist was dran, Paddy.«
»Du musst wissen, Menschen töten nur aus zwei Gründen.«
»Und die wären?«
»Liebe oder Geld.« Seine weißen Schnurrhaare zitterten vor Übermut. Beide Gründe schienen Paddy absurd.
»Drogen.«
»Das hängt wiederum mit Geld zusammen«, klärte Paddy sie auf. »Egal, worum’s bei diesem Fall geht, am Ende läuft es auf Liebe oder Geld hinaus. Harry ist nicht in Gefahr, mit ihr hat es nichts zu tun. Du machst dir immer so viele Sorgen um Harry. Dabei ist sie doch ziemlich robust.«
»Du hast recht. Ich wünschte bloß, ihre Sinne wären schärfer. Ihr entgeht zu viel. Manchmal dauert es zehn oder zwanzig Sekunden, bis sie etwas hört, und auch dann kann sie das Knirschen der verschiedenen Reifen nicht unterscheiden. Aber die unterschiedlichen Motorengeräusche erkennt sie. Sie hat ziemlich gute Augen, aber stell dir vor, sie kann aus fünfhundert Meter Entfernung keine Feldmaus erkennen. Auch wenn ihre Augen bei Tag besser sind, sie kriegt einfach die Bewegung nicht mit. Hören ist so leicht, man muss einfach lauschen und die Augen folgen lassen. Nachts sieht sie natürlich nicht so gut, und kein Mensch kann auch nur die kleinste Kleinigkeit wittern. Ich weiß einfach nicht, wie sie mit so schwachen Sinnen funktionieren kann, und das macht mir Sorgen.«
»Wenn sich ein Tiger an Harry heranpirschen würde, dann würde ich mir Sorgen machen. Da die Sinne bei einem Menschen so schlecht sind wie beim anderen, sind sie alle gleich. Und da sie einander anscheinend selbst die ärgsten Feinde sind, sind sie bestens gerüstet, sich
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