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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Hell on wheels , aber sie wurde für ein paar Wochen unterbrochen. No fraternisation , war groß in den Unterkünften angeschlagen, die Aufnahme von Beziehungen zu deutschen Zivilpersonen war verboten. Bald aber plätteten deutsche Frauen die Hemden der US-Krieger, zwei strenge Falten vorn, zwei hinten, Bezahlung in Zigarettenwährung. Für Camels und Chesterfield bekam man damals mehr als für die fast wertlos gewordene Reichsmark. Zigaretten, Coca Cola und Pressure Coffee waren die Symbole der transatlantischen Neuen Welt, die den Menschen im Vorort zeigte, auf welche Muckefuckkulturstufe sie inzwischen herabgesunken waren.
    Minnamartha und Großmutter hausten in Laube vierzehn, stellten ihre winzige Handelsorganisation um auf US-Waren, so weit sie die bekommen konnten. Souvenirs waren gefragt bei den Amis, Naziuniformabzeichen besonders, Hakenkreuzfahnen, Führerbilder. Woher sie aber beschaffen? Sturmführer Gallert war aufgehängt worden, in seiner Laube fand sich einiges, aber die schönen großen Fahnen, mit denen Gallert seinen Mast beflaggt hatte in großen Zeiten, waren verschwunden. Wahrscheinlich hatte jemand sie nach seinem Tod verbrannt. Während der russischen Besatzungstage setzte sich niemand der Gefahr aus, mit Naziemblemen erwischt zu werden. Die russischen Soldaten machten kurzen Prozess, honorierten solche Anhänglichkeit an Besitz mit einem kurzen, immer tödlichen Feuerstoß aus ihrer M-Pi. Großmutter überlegte, ob man die gefragtesten Souvenirs künstlich herstellen konnte. Unter ihrer Anleitung nähte Minnamartha aus Inlettstoff, weißen Lakenteilen und Großmutters schwarzen Röcken neue kleine Hakenkreuzfahnen, die reißend Absatz fanden. Auch Ellsworth Kelley kam eines Tages in die Laubenkolonie, zwecks Erwerbs einer solchen, für echt ausgegebenen Fahne, und zahlte mit zwei Stangen Zigaretten.
    »Is it real? The flag?«, fragte er Großmutter. Sie sprach eigentlich nicht englisch, antwortete aber mit einem überzeugenden: »Yes, yes!« Dann brach sie eine Rose ab, von einer verschont gebliebenen Crimson Rambler, die auch in diesem Sommer blühte. Als Zugabe.
    Ellsworth Kelley nahm die Rose. »Thank you«, sagte er. »Dankkerscheen.«
    Von da an kam Kelley öfter, was ein bisschen gefährlich war, für ihn wegen des Fraternisierungsgebotes, und für die Frauen, weil sie ihre Hakenkreuznäharbeit verstecken mussten.
    Großmutter und der Soldat saßen dann vor der Laube und unterhielten sich, obwohl keiner die Sprache des anderen sprach.
    »I like to come here«, sagte der Soldat, freundlich lächelnd.
    Großmutter: »Yes. Was willst du Büffel denn bloß, ich verstehe kein Wort.«
    »In Texas I have a garden, too«, sagte der Soldat.
    »So, Texas. Von Texas bist du. Is weit weg.«
    »Yes, we have roses, too.«
    »Rosen. Ist ja nett. Wieso haben die in Texas Rosen? Ich denke nur Kühe. Die fresst ihr doch auf, nicht wahr?«
    »Yes, roses. Many sorts. Big fields. And around the houses.«
    »Hausess. Was mag das nu wieder sein? Vielleicht meint er Hansels? Seine Kinder, vielleicht? Yes, yes, viele Kinder.«
    »War is terrible.«
    »Terrier, ja, Hunde, sind auch ganz nett, früher hatten wir auch Hunde.«
    »Yes, terrible. But here it’s very nice.«
    Großmutter nickte. »Bist ja man son kleiner Büffel. Aber was kannste dafür?«
    »Yes, very nice.«
    Minnamartha stand auf der Veranda, hörte zu und lachte sich tot. Als Ellsworth gegangen war, sagte sie: »Du sprichst ja gut Englisch, Mutter.«
    »Man tut, was man kann«, sagte Großmutter bescheiden. »Doswidanje.«
    An einem Sonntag kam Ellsworth mit einem Carrier Coca Cola. Sechs Flaschen.
    »You try«, sagte er zu Großmutter. »Coke. Very good. Much sugar in it.«
    Großmutter nahm einen Schluck. »Pfui Deibel«, rief sie, »ist das von euren Bullen?«
    »Very nice, yes?«, sagte der Texaner.
    Großmutter winkte ihm, ihr zu folgen. Zögernd ging Ellsworth ihr nach, durch die Kolonie, zu den Siedlungshäusern. Sie zeigte auf die Ruine von Kaisers Haus: »Bomben, verstehst du? Amerikaner. Huii, bum, peng, schschschbumm, alles kaputt, verstehn?«,
    »Very nice«, sagte Ellsworth. »But why do you show me that?«
    »Weil sie«, sagte Großmutter, plötzlich verstehend, »weil sie uns vor ein paar Monaten da rausgeholt haben. Den Karl und mich. Und Kutschke. Unter diesen Trümmern.«
    Ellsworth Kelley, Jeepdriver bei Hell on wheels, hatte keine B 27 geflogen, keine Superfortress, aber den Schaden musste er sich besehen. Den Kaisers saß

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