Muckefuck
Teppich aussetzten, und die kleinen Enten, halb Flaum, halb Federn, schissen alles voll.
Minnamartha: »Sind sie nicht süß?«
Großmutter: »In den Stall damit!«
Es war ein neuer Stall, aus Brettern und Dachpappe schnell zusammengenagelt, mit riesigem Auslauf. »Da in die Mitte«, sagte Ede, »kommt der Teich hin. Sonntag betonieren wir ihn.«
»Wir brauchen Futter«, sagte Großmutter. »Für die Hühner. Und für die Enten.«
Ede hatte versucht, bei Fouragehändlern einiges aufzutreiben, aber die Zeiten waren schlecht. »Ein Sack Kleie ist alles«, meldete er. »Gut«, sagte Großmutter. »Dann geht Brennnesseln mähen, die Brennnesseln stampfen wir, dann kommt Kleie darüber. Ist gut für Enten.« Brennnesseln mähen? Ich besprach die Geschichte mit Othmar.
»Brennnesseln brennen«, sagte philosophisch mein weißer Bruder Old Shatterhand. Nirgends bei Karl May stand etwas über den Umgang mit Brennnesseln. Sie waren beim Spielen hinderlich, in dieser Gegend wuchsen eine ganze Menge, und sie dienten dazu, alte Matratzen, Fahrräder und Emailleeimer ohne Boden zu tarnen, im Winter kam der ganze Mist zum Vorschein. Jetzt sollten wir das Zeug mähen und den Enten vorsetzen? »Ente gut, alles gut«, witzelte Onkel Hubert. Niemand lachte. Aber das war er gewohnt.
Einen Tag später kam Mathilde angeradelt, in schnieker BDM-Kluft, um die süßen kleinen Enten zu besichtigen. »Ach, wie lieb«, sagte sie. Sie beugte sich über den Draht, der den Entenauslauf umgab, und Othmar und ich starrten ihr auf die blassen Kniekehlen, die deutlich sichtbar wurden, weil sich der Rock hochschob. »Ob sie unsere Indianersquaw wird?«, flüsterte Othmar. Ich schüttelte den Kopf. »Die liebt nur den Führer«, sagte ich. »Oder Baldur von Schirach.«
Othmar passte Mathilde trotzdem ab, fragte sie wegen der Indianerangelegenheiten und holte sich eine Ohrfeige. »Du spinnst wohl«, empörte sich Mathilde. »Jetzt, wo uns der Führer braucht, denkst du an Indianer.« Mit fliegendem BDM-Faltenrock radelte Mathilde davon.
Es gehört zu den Eigenarten slawischer Menschen, dasssie kaum je etwas wegwerfen. Obwohl wir nun germanische Rassenbescheinigungen besaßen, behielt auch Minnamartha diese Eigenschaft. Das erwies sich jetzt als nützlich. Denn in dem Kramuri, der auch den Keller des neuen Hauses schon zu einer interessanten Wildnis gestaltet hatte, fanden sich viele einzelne Handschuhe, linke, rechte, die, als Fundsachen von Minnamartha zusammengetragen, nun den Brennnesselsammlern dienen sollten.
Mit Mähen war nämlich nichts, wegen der Emailleeimer und alten Fahrräder, und dann machten auch die dicken Brennnesselstiele die Sense bald stumpf. Also rupften wir nun, verbrannten uns trotz der Handschuhe, stopften in Säcke, trugen heim und zerstampften.
Froh waren die Enten. Sie wuchsen, verloren ihren Flaum. Aber Wasser musste her. »Wann baut ihr den Entenpfuhl?«, fragte Minnamartha jedes Mal, wenn Ede auf seinem schwarzen Dienstfahrrad von der Veterinärstation geradelt kam. »Die Enten wollen schwimmen«, sagte Großmutter mit Vorwurf in der Stimme.
Wie fehlte uns Onkel Adolar, der elegante Schnellmaurer, Sonntagshandwerker und Erfinder. Aber er eroberte gerade Polen, als Panzergrenadier, und nur Tante Linchen kam, unsere Federviehzucht mit misstrauischen Blicken betrachend, als sähe sie uns in naher Zukunft als Opfer all der Schwimmvögel und Bratrohradler. Denn eines Tages, so ließ sie auch durchblicken, würden wir das Federvieh ja nicht mehr füttern können, und die Kaninchen, und dann würden die Tiere sich über uns hermachen, uns annagen, die Hühner würden uns auf die Schultern fliegen und uns die Augen auspicken – ein ruhmloses Ende der Familie Kaiser, Bärlappstraße, Strafe für die Vermessenheit, dem Hunger zu trotzen!
Tante Linchen trotzte nicht, musste auch nicht so sehr,die Winzige kam mit zwölfhundert staatlich verordneten Kalorien schon eher aus. Außerdem reiste sie jeden Sonntag an, um Großmutter Onkel Adolars neueste Feldpostbriefe vorzulesen, und aus Dank bekam sie heimlich einen Blumenkohl zugesteckt oder ein Glas Eingewecktes. »Wie würde Adolar sich freuen«, murmelte dann Tante Linchen ergeben und verschwand mit der nächsten S-Bahn.
Mathilde kam geradelt und sagte: »Vati hat fünf Sack Zement.«
»Fünf Sack«, wiederholte Ede, »das kann reichen.« Reichen für den Entenpfuhl, der nun in Angriff genommen wurde.
Onkel Hubert und Ede schachteten im Entenkäfig eine Kuhle aus, warfen
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