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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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Ich hoffte, dass ich dieses verstohlene Gefühl beim Umzug zurücklassen und letztlich vergessen konnte.
    ***
    Honeysuckle Cottage war ein erfrischender Neuanfang. Ich liebte die Küche mit der altmodischen Vorratskammer, den Terrakottafliesen auf dem Boden und dem Tisch aus unbehandeltem Kiefernholz. Hier aßen wir, weil es warm und gemütlich war, so trostlos das Wetter auch sein mochte. Wunderbar war auch der offene Wohn- und Essbereich, wo ich Mum immer in meiner Nähe spürte, auch wenn wir uns getrennt beschäftigten. Ich liebte den offenen Kamin mit der Verkleidung aus schroffem grauem Stein, den Sims aus lackiertem Eichenholz und die kleinen Rauten der imitierten Tudor-Fenster. Ich liebte die abgenutzte hölzerne Treppe, bei der die vierte Stufe von unten laut knarrte, egal wohin man trat. Ich liebte mein Schlafzimmer mit den offenen Balken und dem eingebauten Fenstersitz, auf dem ich stundenlang beim klarsten, reinsten Licht, das ich je erlebt hatte, lesen konnte. Ich liebte es, morgens die Vorhänge zu öffnen und nicht auf die immer gleichen roten »hochwertigen« Vororthäuser zu blicken, vor denen der obligatorische BMW oder Mercedes parkte, sondern auf ein Flickmuster aus gepflügten Feldern. Am allerliebsten aber trug ich einen Stuhl in den Garten, setzte mich hin und sah zu, wie die Wolken über mir am Himmel unablässig die Gestalt veränderten wie das Wachs in einer Lavalampe.
    Während ich zum Himmel hinaufschaute, stellte ich mir vor, in einer einfacheren und unschuldigeren Zeit zu leben – einer Zeit, bevor es menschliche Wesen gab, einer Zeit, in der die Erde ein endloses grünes Paradies war und Grausamkeit um der Grausamkeit willen völlig unbekannt.

3
    Mum war eine brillante junge Anwältin gewesen, die schon während des Studiums ein Angebot von einer führenden Londoner Kanzlei bekam. Sie war damit aber nicht glücklich gewesen. Sie hatte das Leben in London gehasst, die aggressiven Menschenmassen, die überfüllte U-Bahn während der Rushhour, die betrunkenen Obdachlosen mit ihren blutigen Gesichtern
(London ist keine Stadt für Mäuse)
, und nach vier Jahren beschlossen, aufs Land zu ziehen. Sie hatte eine Stelle bei Everson’s, der größten Anwaltskanzlei der Stadt, angenommen und dort meinen Vater kennengelernt. Er war acht Jahre älter als sie und schon Partner. Nach etwa sechs Monaten hatte er sie gebeten, ihn zu heiraten.
    Wenn ich bedenke, wie unterschiedlich sie waren und wie die Ehe endete, wundert es mich, dass Dad ausgerechnet Mum ausgesucht und sie sich für ihn entschieden hatte. Zweifellos fand er Mum attraktiv – auf den Hochzeitsfotos kann man sehen, wie hübsch sie war, ein dunkler Typ mit scheuem Lächeln. Ich bin mir sicher, dass er es als Herausforderung betrachtete, das Herz dieses unbeholfenen, zurückhaltenden Mädchens mit dem Prädikatsexamen zu erobern, dem der Ruf brillanter Prozessführung vorauseilte. Vielleicht sehnte sich Mum nach den Erfahrungen in London (in ihre Wohnung wurde eingebrochen, man stahl ihr am helllichten Tag die Handtasche) nach einem starken Mann wie Dad, der sie beschützen konnte. Vielleicht glaubte sie, dass seine Kraft wie durch Zauberei auf sie abfärben könnte. Vielleicht waren es auch nur sein gutes Aussehen und der sanfte Charme; schon als kleines Mädchen war ich eifersüchtig auf die Wirkung, die sein zwangloses Lächeln auf andere Frauen ausübte.
    Als ich vier Jahre später geboren wurde, bestand mein Dad darauf, dass meine Mum zu Hause blieb und sich um mich kümmerte. Er sagte, er wolle nicht, dass seine Tochter wie ein Paket von einem Kindermädchen zum nächsten weitergereicht würde; seine Tochter solle nicht aus der Schule kommen und ein leeres Haus vorfinden, weil beide Eltern bei der Arbeit waren; sein Gehalt reiche für uns alle, und es sei nicht nötig, dass sie beide arbeiteten. Das alles hatte (natürlich) nichts damit zu tun, dass Mum kurz davor stand, selbst Partnerin in der Kanzlei zu werden. Es hatte (natürlich) nichts damit zu tun, dass man sie allgemein als beste Anwältin der Kanzlei betrachtete und er sich angesichts ihrer raschen Auffassungsgabe oft unzulänglich und dumm vorkam.
    Mum gehorchte. Schließlich wusste er es am besten; er war älter als sie, er war Partner, er war ein
Mann
. Wie hätte sie ihm widerstehen sollen, selbst wenn sie es gewollt hätte? Wie kann eine Maus der Katze widerstehen? Also gab sie die Arbeit, die sie liebte, auf und kümmerte sich die nächsten vierzehn Jahre nur um

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