Mueller, Carin
teilhaben dürfen. Gestern ist mir zufällig Adrians Babydecke in die Finger gekommen. Vor über vierundvierzig Jahren, als ich mit ihm schwanger war, habe ich sie gestrickt. Vielleicht wäre sie ja was für das neue Baby?
Alles Liebe,
Brigitte
Antonella nahm das Päckchen und wickelte eine wirklich hübsche grüne Decke aus.
»Das ist doch sehr lieb von ihr«, befand Katia.
»Warten wir’s ab, wahrscheinlich hat sie nur Angst, dass sie sonst ihren Sohn nicht wiedersieht.« Antonella blieb skeptisch. Dann fuhr sie über die weichen Maschen und legte sich die Decke auf ihren Bauch. »Mein Süßer, in ein paar Wochen darfst du in Papas Decke kuscheln.«
»Können wir die beiden nicht einfach doch behalten?« Katia hatte fünf Tage später drei weiteren Interessenten für Albert und Adelheid abgesagt, und Giovanni verlor langsam, aber sicher die Geduld.
»Auf keinen Fall! Und das hatten wir schon lange geklärt!«, sagte er bestimmt, nahm sie aber in die Arme, als er merkte, wie geknickt sie tatsächlich war. »Es ist doch nicht so, dass alle Welpen völlig aus der Welt sind. Toni siehst du jeden Tag und August spätestens dann, wenn du zum Friseur gehst.« Katia murmelte nur Unbestimmtes. »Ich verstehe ja, dass du traurig bist«, fuhr er fort, »aber es gibt doch auch vieles, worauf wir uns jetzt freuen können: Ruhe, keine Tretminen, keine Wasserschäden, eine saubere, renovierte Wohnung, keine zerbissenen Hände mehr, ungestörten Schlaf, ungestörten Sex …« Er küsste sie. »Sind das keine überzeugenden Argumente?«
»Mhmm.«
»Jetzt müssen wir nur noch ein perfektes Zuhause für Berti und Heidi finden, dann ist das Paradies ganz nah!«
Wie nah das Paradies tatsächlich war, konnte aber in diesem Moment noch nicht einmal Giovanni erahnen. Oma Rosis Mission schien nämlich tatsächlich Form anzunehmen. »Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten!«, hatte sie sich gedacht und war deshalb nach München zurückgekehrt. Wenn sie es nicht schaffte, den unnachgiebigen Metzger Fuchs zum Einlenken zu bringen, wer dann? Zwei Tage lang hatte ihre Belagerung angedauert. Zwischendurch sah sie sich sogar genötigt, schlimme Sanktionen anzudrohen: Sie würde dafür sorgen, dass ihr Enkel Gianluca das Fleisch für sein Restaurant woanders bezog, und sie persönlich würde notfalls nie wieder eine Fuchs-Weißwurst essen. Irgendwann hatte sie ihn so weit, und er erklärte sich bereit, mit seiner Frau nach Frankfurt zu fahren und die verlorene Tochter zu besuchen.
Katia traute ihren Augen nicht, als am späten Sonntagvormittag ihre Eltern vor der Tür standen. »Dürfen wir reinkommen?«, brummte ihr Vater.
»Natürlich! Ich freue mich so!«
Oma Rosi musste magische Kräfte haben, denn der weitere Tag gestaltete sich außerordentlich erfreulich: Herr und Frau Fuchs zeigten sich beeindruckt vom neuen Leben ihrer Tochter, bewunderten ihre schöne Wohnung und freuten sich, dass sie mit Giovanni jetzt einen so bodenständigen Lebensgefährten gefunden hatte. »Ich muss zugeben, dass ich einen Fehler gemacht habe«, sagte ihr Vater. »Es scheint für dich wirklich die richtige Entscheidung gewesen zu sein, in Frankfurt zu bleiben. Ich bin stolz auf dich, dass du dein Leben so gut in den Griff bekommen hast.«
An dieser Stelle warf sich Katia schluchzend in seine Arme. »Papa, ich bin so froh, dass ihr da seid. Ich habe euch so vermisst. Ich weiß, dass man fünfzehn Jahre Funkstille nicht an einem Nachmittag auslöschen kann, aber ich will wirklich dran arbeiten. Ich möchte nur endlich wieder eine Familie haben!«
Sie bekam ihre Familie, denn auch ihre Eltern wünschten sich nichts sehnlicher, als endlich wieder eine Tochter zu haben. Und noch jemand bekam eine neue Familie: Klein Albert hatte das Herz von Ehepaar Fuchs im Sturm erobert. Früher, als Katia noch zuhause gelebt hatte, gab es immer einen Schäferhund in der Familie. »Der letzte hieß Berti«, erinnerte sich Katias Mutter. »Das ist ein Zeichen!« Und so trat Albert vom Fuchsbau am Montagmorgen seine Reise nach München an.
»Hast du gesehen, wie glücklich sie sind?«, fragte Giovanni Katia, als das Auto ihrer Eltern verschwunden war.
»Und Berti ist auch glücklich. So findet sich alles«, stellte sie nachdenklich fest und fing dann zu schmunzeln an. »Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Kleine das Enkelkind-Ähnlichste ist, was sie jemals bekommen werden …«
KAPITEL 22
Wenn sie nicht …
E s ist wirklich
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