Mueller hoch Drei
Aber wer Tieren alles Mögliche beibringen kann, ist vielleicht auch für sich selbst ein guter Lehrer. Die Mädchen neben mir stießen sich an. Lange würden sie nicht mehr stillhalten können.
»Drillinge?«, sagte drinnen im Café Tante Elke. »Das ist ja interessant. Kennen Sie vielleicht einen Paul Müller?«
»Allerdings. Und nicht nur den.« Bruno klatschte einmal in die Hände. Das war das verabredete Zeichen. Zuerst betrat ich das Café. Und in gemessenem Abstand folgten mir, Hand in Hand, Paula und Pauline.
»Hi, Tante Elke«, sagte ich. »Guck an: Das ist Pauline – jetzt sind wir komplett.«
Meistens sagen Erwachsene in solchen Situationen »Jetzt bin ich aber sprachlos« oder »Jetzt muss ich mich aber mal setzen«, woraufhin sie sich nicht setzen, dafür aber in einem fort reden. Tante Elke hingegen setzte sich tatsächlich an einen der kleinen Tische und sagte lautstark und unüberhörbar: nichts.
»Überraschung, nicht wahr?« Meine Schwestern traten einzeln vor und gaben ihr die Hand. Völlig unbemerkt stahl sich unterdessen hinter ihren Beinen der Hund ins Café.
»Donnerwetter«, sagte Tante Elke endlich. »Ihr habt es also hingekriegt. Alle Achtung! Und? Hat man euch auch gleich adoptiert?«
»Das weniger«, sagte ich. »Um ehrlich zu sein, wir haben uns Pauline vorläufig nur ausgeliehen. Für zwei Wochen.«
Tante Elke lachte. »Und habt ihr dafür mit dem Hund bezahlt?«
Wir taten, als würden wir uns gewaltig amüsieren. Das gab Pablo die Möglichkeit, unbemerkt auf die Theke hinter Tante Elkes Rücken zu springen. Dort nahm er einen geeigneten Platz ein, nicht weit von ihrem Kopf entfernt.
»Nein, nein«, sagte ich. »Den Hund hätten wir nicht hergegeben. Der ist jetzt so was wie unser guter Geist. Von dem trennen wir uns überhaupt nicht mehr.«
Tante Elke schaute alarmiert im Café umher, aber da man Hunde für gewöhnlich auf der Erde sucht, bemerkte sie Pablo nicht. »Er ist doch nicht hier, oder? Ihr erinnert euch hoffentlich an meine Krankheit. Hunde stehen auf der Hitliste meiner Aversionsverursacher ganz weit oben.«
»Ach was!«, riefen wir. Und schickten gleich die wohlbekannten Hundebesitzersätze hinterher: »Der tut dir nichts!« »Der ist ganz lieb.« »Der will nur spielen.«
»Kinder!«, sagte Tante Elke. »In dieser Angelegenheit verstehe ich keinen Spaß. Wo ist der Hund?«
»Ja, wo ist er denn?« Und dann taten wir so, als würden wir ihn hektisch suchen, dabei riefen wir seinen Namen. Bruno zog komische Grimassen. Endlich riefen wir »Hurra, da ist er ja!« und zeigten zu dritt mit den Fingern knapp an Tante Elkes Kopf vorbei.
Sie wagte nicht sich umzudrehen. »Bloß das nicht!«, sagte sie gepresst, dabei wühlte sie in den Taschen ihrer Jeans, vermutlich suchte sie nach einem Taschentuch, vielleicht auch nach einer Medizin.
»Schau nur!«, riefen wir. »Wie süß er da sitzt. Unser Goldhund.« Tatsächlich war der Anblick zum Schreien komisch: ein schwarzer Hund mit einem rosa Lufterfrischer um den Hals.
Ganz langsam drehte sich Tante Elke auf ihrem Stuhl herum, bis sie Pablo auf gleicher Höhe in die Augen sah. Ihr Mund formte ein Wort, aber weil sie offenbar nicht imstande war, ihre Stimme einzuschalten, hörte man nichts. Wahrscheinlich war es das Wort »Hund«. Vielleicht auch das Wort »Hilfe«.
Pablo legte den Kopf ein wenig schief. Dann putzte er sich mit der rechten Pfote seine dicke Hundenase, was man zu Recht als putzig bezeichnen konnte. Allerdings bekam er seine Nase so nicht sauber, weswegen er zu anderen Mitteln greifen musste. Er holte Luft und schloss die Augen, dann nieste er Tante Elke ins Gesicht.
Und Tante Elke – nieste nicht! Obwohl ihre Multiple Aversion gerade durch eine Überdosis Hund stimuliert worden war.
»Ich niese nicht«, konstatierte sie.
»Ach!«, sagten wir im Chor.
Noch immer trennten Hund und Tante nur wenige Zentimeter.
»Und mir tränen nicht die Augen.«
»Oho!«, machten wir und zogen erstaunte Gesichter.
»Und ich habe auch nicht das Gefühl zu ersticken«, schloss Tante Elke ihre Selbstdiagnose ab.
»Großartig«, sagte ich. »Dann stehen hier vor dir nicht nur drei mit dir um drei Ecken verwandte Drillinge, sondern auch deine Retter.« Und ich erzählte ihr in knappen Sätzen die ganze Geschichte vom Fund der Bohnerwachstonne auf dem Speicher des Hochschmidt’schen Hofes.
Pauline trat zu ihrem Pablo. »Schau nur, wie es funktioniert. Mit dem Wunderwachs um den Hals ist der Hund ganz
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