Mueller hoch Drei
»Polizei« vorkamen.
Ich tat, als sei ich nicht schlau genug, um derart lange Sätze zu verstehen. »Hallo!«, sagte ich, wie die braven Kinder aus alten Fernsehserien. »Frau Glossbach, schön Sie zu sehen. Ihre Alarmanlage hat übrigens prima funktioniert.«
Sie erwiderte etwas, was ich nicht verstand, weil gerade Brunos Antiquität um die Ecke bog und vor unserem Haus anhielt. Die gesamte Besatzung stieg aus.
Ich deutete auf die Mädchen. »Das da sind übrigens meine Schwestern. Eigentlich sind wir Vierlinge. Aber meinen Bruder hat es gestern in Ihrem Garten erwischt.«
»Was?«, flüsterte unsere Nachbarin.
Ich machte eine abwehrende Handbewegung. »Nein! Sagen Sie nichts. Wir konnten ihn sowieso nicht leiden. Er stand auf Heavy-Metal-Musik und las dicke Bücher. Er passte einfach nicht zu uns. Wir haben ihn sicher verpackt und werfen ihn jetzt vor der Stadt in den Fluss.«
Ich gab Bruno ein Zeichen. Er öffnete die hintere Lieferwagentür, klopfte auf die Bohnerwachstonne und nickte dazu wie einer, der gerne mal wegräumt, was andere Leute liegen gelassen haben.
»Und keine Sorge«, sagte ich noch an die Adresse von Frau Glossbach. »Von uns erfährt keiner ein Wort. Ehrensache unter Nachbarn.« Ich winkte ihr zu wie ein Vierjähriger. Während wir dann alle in den Lieferwagen stiegen, erstarrte Frau Glossbach zur Marmorsäule. Im Wegfahren sahen wir noch, wie Gerd der Gatte hinter ihr erschien. Seinen Spaten trug er über der Schulter.
Eine Viertelstunde später standen wir an einer Tankstelle. »Wenn schon«, hatte Bruno gesagt, »dann machen wir die Sache auch anständig.« Jetzt kam er mit einem blassrosafarbenen Lufterfrischer fürs Badezimmer und einem Stück Schnur zurück. Er kramte im Werkzeugkasten des Lieferwagens, fingerte und schraubte an seinen Einkäufen herum, und dann präsentierte er uns seine Erfindung. Er hatte die Frischesubstanz im Lufterfrischer gegen eine ordentliche Portion Bohnerwachs ausgetauscht, und das Ganze trug Pablo jetzt an der Schnur um den Hals. Er sah damit aus wie die leicht verkleinerte Fassung eines Bernhardiners mit Schnapsfass. Jedenfalls sagte das Paula, woraufhin der Hund etwas pikiert zur Seite schaute. Dann fuhren wir los.
Als wir auf der Suche nach einem Parkplatz am Gedächtniscafé vorbeikamen, sahen wir, wie Tante Elke gerade die Tür aufschloss. Sie trug noch nicht ihre Verkleidung. Vielmehr sah sie halb fesch und halb zünftig aus, wahrscheinlich kam sie gerade von ihrer Drescher- und Mäher-Verkaufstour zurück. Bruno glotzte sie an und verlor kurz die Kontrolle über den Lieferwagen.
»Nette Person, oder?«, sagte Paula, aber zu zweit knufften wir sie ruhig.
Endlich fanden wir einen Parkplatz, und nun sollte geschehen, was wir uns auf der Fahrt ausgedacht hatten. Vor dem Café gingen wir Drillinge und der Hund Pablo in Deckung. Bruno trat alleine ein, worauf die Glöckchen wieder klingelten und Tante Elkes Stimme vom Band kam, gefolgt von einem echten »Bin gleich da!«. Ein paar Sekunden später trat sie durch die Hintertür ins Café. Bruno hatte die Vordertür ein Stück offen gelassen, und so verstanden wir jedes Wort.
»Schön, dass Sie sich für das Kaminski-Graber-Moos-Gedächtniscafé interessieren«, sagte Tante Elke. »Aber auf den Genuss meiner Führung müssen Sie leider verzichten. Ich packe nämlich gerade meine Koffer.«
»Ach du liebe Güte.« Das war natürlich nicht der Text, den wir für Bruno vereinbart hatten. »Warum denn das, wenn ich fragen darf?«
Tante Elke machte ein Geräusch, das eindeutig Verachtung signalisierte. »Die wollen hier Remmidemmi veranstalten. Das Tourismusamt von Neustadt plant Kultur-Events zum Gedenken an die bedeutenden Künstler. Aber ich mache denen nicht länger den Affen. Ich habe gekündigt.«
»Das ist ja schrecklich für Sie.«
»Nicht, wie Sie wahrscheinlich denken«, sagte Tante Elke. »Meinen Arbeitsplatz verliere ich hier nicht.«
»Ich weiß. Aber Ihren Heilatmungsraum. Und das ist ja noch viel schlimmer.«
»Woher wissen Sie das?« Tante Elke klang zutiefst überrascht.
»Oh«, sagte Bruno. »Für eine kurze Zeit meines Lebens war ich blendend informiert, über dies und das und überhaupt. Ich wusste praktisch alles. Aber diese Zeit ist zu Ende gegangen. Mit dem Allwissendsein bin ich nicht glücklich geworden. Ich habe dann umgeschult. Im Moment bin ich in der Drillings-Betreuungsbranche.«
Ich war erstaunt. So viel schauspielerisches Talent hatte ich Bruno nicht zugetraut.
Weitere Kostenlose Bücher