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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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Gestalten jetzt und Müller hinterher und Waffe in der Hand und hebt den Arm und ruft und zielt und ruft und zielt und ruft und zielt und halt! Aber Druckpunkt und Knall und Schuss und Peng und BLANKE STELLE IN DER ERINNERUNG und Blut, rotes Blut, flüssig und überall rotes Blut und blutende Gestalt liegt da wie zerknüllt und weggeworfen mit unwirklich verdrehten Gliedmassen und jetzt bitte nicht heranzoomen, sonst ist dieses Buch zu Recht nicht für U-18-Jährige freigegeben, weil nicht sollen sie sich am Busen der Grausamkeit stählen, sondern Blumenwiesen atmen und Schmetterlinge pflücken und an Zimmet und Muskat und Myrrhe sich laben und einschnaufen und sich berauschen am Schönen. Ja! Und die Sanität und noch eine Sirene und die Kollegen sind da in ihren beruhigenden blauen Uniformen und der Müller in Zivil wie andere Spezialkräfte, aber sie kennen ihn natürlich, und er lässt die Waffe sinken und wirkt abwesend, ist abwesend. Wenn du auf einen Menschen geschossen hast, egal, wer es war und was er vielleicht mutmasslich verbrochen hat, das wird das Verhör festzustellen versuchen und das Gericht dingfest machen und Rechtsstaat und Staatsanwalt und Verteidiger und Urteil. Das ist nicht deine Sache, Herr Polizist. Du bist das Werkzeug des Gesetzes, musst es kennen und lieben und befolgen, und zwar streng, weil, wenn du es nicht machst, wer dann. Und du willst nicht auf Menschen schiessen, weil du ein Polizeimann bist und weisst, tagtäglich fast, und siehst, was der Schusswaffeneffekt: Chaos und Verderben, Not und Mord, Nötigung und Verstümmelung, und Waffe = schlecht = miserabel, aber ist halt Teil vom Polizeiberuf, steckt im Schulterhalfter oder am Gürtel, wenn Einsatz akut, aber wir von der Polizei sind keine Pistoleros, was immer die tendenziöse Presse sagt, wir handeln korrekt. Meistens! Oh nein, träumt es dem Müller, ja der Müller sieht all das jede Nacht für Nacht. Und ruft im Schlaf, wenn es für ihn träumt: Ich will nicht auf Menschen schiessen, nein, will nicht, und deshalb der Müller Psychiater und Psychologe und interner Sozialberatungsdienst und Aggressionskurs, ausgerechnet der Müller, wo gerne friedlich wie Feuersalamander auf dem Balkon sitzt und Bücher liest, aber Trauma, Trauma, bitte schön, heisst Verwundung, heisst Verletzung. Ich drehe durch, träumt er. Das ist nicht schön. Und spricht, nein: schreit im Schlaf, dass die Nachbarin von unten wegen Lärm reklamiert, sogar schriftlich, und sich Gott erbarm, und darauf hofft der Müller nun wirklich. Alte Prägung. Einmal katholisch, immer katholisch, aber nur privat, weil der Polizeidienst ist überkonfessionell und sogar transreligiös. Es sollen, Gemunkel, sogar atheistische Polizisten existieren, schon ein bisschen gespenstisch, da schreckliche Bilder und Ereignisse und Bewältigungsdringlichkeit, träumt es dem Müller Benedikt, Abteilung Gewaltverbrechen. Das sind die, wo die strubsten Jobs fassen und am meisten kotzen müssen. Und man wundert sich nicht, wenn das die Nächte vom Müller sind, dass er schlecht schläft und am Morgen wie ein nasser Sack aufsteht und sich das Grausen zuerst einmal aus den Haarwurzeln duschen muss. Seit vielen Wochen geht das so, denn die Sache mit der Müllerstrasse war im Frühling, im Monat Mai.
    Und besonders bitter: Der Müller hat mit seiner Schussabgabe selbst die Verbrechensstatistik in die Höhe getrieben. Gut, auch die Aufklärungsquote. Aber diese Sichtweise ist zynisch. Das dürfen Sie nicht so sehen. Denn zuvorderst steht für das Gesetz und seinen Arm immer der Respekt vor dem Menschen und seiner Person. Bitte.
    Und den Rest des Sonntags verbringt der Müller irgendwie privat. Mit Lesen und so und eine DVD mit Film. Denn er hat sich nach der Müllerstrassen-Schusswaffengeschichte suspendieren lassen. Bis Klärung Schuldzerfressenheit und Traumaüberwindung. Weil der Müller ist ethisch. Aber das kann dauern, bis Normalitätscomeback. Das weiss man aus der Fachliteratur: Der Topf geht schnell kaputt, aber bis er wieder zusammengeklebt ist, fliesst viel Sand die Uhr herunter. Und so ist es beim Menschen auch. Er ist organisch. Das macht alles kompliziert.
    Aber Person B, wo, Sie erinnern sich, vorher gegen ein Uhr morgens ins Wasser gestossen (?), gefallen (?), sicher darin verschwunden beim Jugendkulturhaus Dynamo, strudelt wohl den ganzen Sonntag im Wasser der grünen Limmat herum. Schon seltsam, dass niemand die Leiche, ja, wir müssen hier so ungeschminkt und brutal nicht

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