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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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Geist.
    Skeptizismus.
    Positivismus.
    Tathergang und Gesetz.
    Es wird nach modernsten Methoden vorgegangen. Dann Fotos. Dann Massband. Dann rechnen sie. Mathematik gegen Verbrechen. Physik gegen Verbrechen. Chemie gegen Verbrechen. Ballistik, falls nötig. Und Psychologie ist natürlich das A und O. Sie wissen deshalb bald die Geschwindigkeit des Unfallfahrzeugs. Wissen schon zentimetergenau, wo die Spur des Vorderreifens verlief, wo des Hinterreifens, auch wenn sie nicht sichtbar ist. Weil Abrieb auf Asphalt, den analysieren sie. Mikrospuren, die suchen sie. Den Aufprallwinkel auf das Mäuerchen vor dem Abgrund, den berechnen sie. Solche Sachen. Die Flugbahn, Zeit und Ort der Explosion. Brandspuren. Unregelmässigkeiten. Auffälligkeiten. Seltsames. Hässliche Bilder – alles nehmen sie auf. Zum Glück hören wir all dies nicht. Was sich im Kopf der Spurensicherung abspielt: der blanke Horror. Aber nutzbringend umgesetzt. Aufklärung aufgegleist. Und schon beeindruckend: Geschwindigkeit und Genauigkeit der Spurensicherung. Die können’s. Wissen schon alles. Nur noch nicht, wer. Dafür ist der Müller da. Und Pathologin Dr. Brenda Marquardt, wo gerade noch in Hamburg ist. Und ihr werter Name ruft nach der Erwähnung von Bucher Manfred, der da schwebet im Lande der Hoffnung. Und auch volle Kraft im Einsatz: all die Jungs in Blau. Ihre Namen kennen nur der Einsatzleiter und die Personalabteilung. Anonym und unbekannt leisten sie ihren Dienst an der Gemeinschaft unerkannt in unserer Mitte. Und niemand dankt ihnen. Das ist falsch.
    Kurz gesagt: Die Band Spitfire ist also tot, umgekommen in den ersten Morgenstunden des Donnerstags. «Die Rockschweiz trauert» wird Boulevardzeitungsmusikchef Tobias F. Hubacher heute noch elektronisch-online und am fast übernächsten Tag in der Boulevardzeitung zu lesen gewesen sein. Aber eben: auf Papier erst am Freitag, und darum eigentlich nicht hier in diesem Kapitel, aber macht ja nichts: Jetzt habe ich es halt schon gesagt, es hat, weil interessant, inhaltlich zusammenhängend schon gepasst hier.
    Jetzt kommt der Müller Benedikt endlich wieder vor in dieser Geschichte. Und zwar in folgendem Zusammenhang beziehungsweise in folgender Gesellschaft: Das Telefon in des Müllers Wohnung gibt Laut am Morgen, Donnerstag, neun Uhr, nachdem die Amseln schon verstummt sind. Und die Nachbarin von unten, wo so lärmempfindlich, schon bei der Arbeit ist. Der Müller – nackig wegen Hitze von Zürichsupersommer – hechtet zum Klingeln hin, hebt ab. Bucher Manfred ist’s, der «Elefant von Aussersihl», Freund und Kommilitone der Polizeischule von anno dazumal. Und Bucher Manfred (mittlerweile 104 Kilogramm) sagt zu Überraschung von Müller: Er kommt gleich vorbei, weil in der Gegend.
    Nun gut, sind auch Restaurants in Wiedikon.
    Aber Bucher Manfred sagt nicht «Restaurant» oder «Café». Sagt: «Komme vorbei.»
    Beide wissen, die Wände im öffentlichen Raum haben Ohren. Jeder hört alles mit. Nicht so schlimm, wenn du zum Beispiel Inuit sprichst in Zürich. Versteht fast niemand. Aber Bucher Manfred und Müller Benedikt sind hier schon länger zu Hause, und deshalb sprechen sie akzentfrei Dialekt von, sagen wir, Altstetten-Schlieren-Dietikon. Sozial markiert: Sind nicht Goldjungen von Goldküste rechts vom Zürichsee.
    Und wirklich: Bald Gerumpel im Treppenhaus. Der Müller macht auf. Der Bucher kommt herein. Sagt nur ein geheimnisvolles Wort:
    «News.»
    Und verdreht die Augen voller Versprechungen, aber hoppla.
    «Und?», fragt ihn da unser Beni.
    Spitfire → Gorges du Pichoux. Das Ende der Rocker in der Schlucht. So das Kurzrésumé von Bucher Manfred.
    Nun muss dem Müller sein Geografie-Know-how knapp bekleidet vorkommen. Er kennt zwar alle Strassen von Zürich von Aargauerstrasse bis Zypressenstrasse, aber «Gorges du Pichoux», mit Manfredakzent heisst das «Gorschdüpischu» mit Betonung irgendwo im Wort, das übersteigt ihn absolut, den Müller.
    Aber den Müller interessiert weniger die Geografie, sondern er will das Wesentliche wissen. Manfred sagt: «Vermutlich sechs Tote.»
    «Vermutlich sechs?» Der Müller wie ein Papagei.
    «Vermutlich?», der Müller will das Adverb wirklich wissen.
    Und Bucher Manfred: «Man geht davon aus, dass die ganze Band im Tourneebus sass. Es sieht nicht schön aus. Die Kollegen arbeiten dran. Sieht gar nicht schön aus. Bekomme den Bericht später. Melde mich.»
    Und der Kaffee auf dem Herd pfeift und gurgelt in der Maschine. Der Geruch kommt

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