Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
Vom Netzwerk:
heraus. Und der Müller bietet dem Freund einen an. Und der nimmt an und hat, das fragt ihn jetzt der Müller, abgenommen.
    «Hast du abgenommen?», fragt ihn jetzt der Müller.
    Und Manfreds Gesicht überhuscht etwas wie ein Lichtlein, fast unsichtbar, aber sagt nichts, sondern lächelt innerlich. Schon verrückt, was der Verdacht von Liebe mit einem Menschen machen kann. Darum Bucher Manfred neulich – also erst gestern – Karotten und Gesundes. Richtiggehend Motivationsschub. Dem Müller ist das natürlich aufgefallen, dass dem Manfred sein Sommerjackett nicht mehr so eng sitzt und vorneherum spannt, weil schon nochmals 2000 Gramm weniger. Bucher driftet also gegen 102 Kilogramm.
    Also der Müller: «Hast du abgenommen?»
    Erntet aber ausschliesslich Stummheit. Bucher schiebt nur gedankenverloren die Kaffeetasse zwei Zentimeter nach links.
    Und er will zum Kaffee keine Kekse. Lehnt er strikt ab. Kriegt fast dicken Hals. Will nicht. Weigert sich. Entspricht völlig nicht seinem Ich bis gestern. Aber dem Müller sein Kopf natürlich gerade mit mehrfacher Todesnachricht usurpiert plus Gedanken an Sandra Molinari. Darum keine scharfsinnigen Schlüsse, sondern nur etwas Gefrotzel, weil Polizeimann Bucher Manfred auf einmal keine Kekse will.
    «Keine Kekse im Dienst? Ist das ein neues Reglement?», sagt der Müller. Schon komisch, der Polizeihumor.
    Manfred stumm, Kopfschütteln nur.
    «Bist du krank?», fragt der Müller.
    Bucher Manfred, perplex, fragt zurück: «Warum?»
    Gegenfrage Müller: «Fehlt dir etwas?»
    Bucher Manfred Gegenfrage: «Hast du Gemüse?»
    Und der Müller dienstfertig und fährt das ganze Vitaminarsenal auf. Die Vitamin-C-Bomben, die Folsäuregranaten, die ABCDPP -Orgeln, die E-Kampfstoffe, die multiplen B-Batterien, die synthesefreundlichen K-Brückenköpfe. Der Kühlschrank spuckt’s aus und entlässt auch kühle Luft in den Raum, du würdest dich am liebsten hineinsetzen. Weil in der Küche vom Müller schon jetzt kurz nach neun Uhr irgendwas von unheilverkündend heiss.
    Und Bucher Manfred spiesst ein putziges Radieschenscheibchen auf, auf dem ein Tröpfchen Olivenöl grüngolden funkelt, als wäre es die Sonne Italiens höchstpersönlich.
    «Deswegen frage ich», sagt der Müller und deutet aufs putzige Radieschenscheibchen.
    «Warum soll ich kein Radieschenscheibchen essen, auf dem ein Tröpfchen Olivenöl grüngolden funkelt?», fragt Manfred.
    Und dann wird es kurz still.
    Was beängstigend sein kann.
    Denn der Müller und Manfred waren zusammen in der Polizeischule, ich sagte es, vor langer Zeit. Der Müller und Manfred sind seither Freunde. Zusammen Streife. Zusammen Dienst. Zusammen älter geworden. 45 ist natürlich kein Alter. Zusammen Papierkram, Fahndung, Zugriff, Verhöre, Irrtümer, Misserfolge, Erfolge, Beförderung (ein bisschen). Und privat: Restaurants, Restaurants, Restaurants. Haben sich viele Jahre gemeinsam durch die Speisekarte wie Würmer durch den Apfel gegessen und immer denken und reden und wissen: Es dämmert und taget, und irgendwann findet man die Lösung. Obwohl noch verschwommen und einem Nichts gleich, sie wird eines Tages kommen, weil es gibt immer eine Lösung, weil die Polizei, die verzagt nicht. Sie leistet immer gute Arbeit. Das muss auch wieder einmal gesagt sein.
    Aber die Müller’sche Frage ist noch nicht beantwortet: «Manfred und Salat. Hä?»
    Ich meine, wir wissen es, aber der Müller noch nicht. Bucher Manfred ist kein Grossmaul, lächelt wie Mona Lisa, enigmatisch, was «rätselhaft» bedeutet. Aber sagt nichts. Eigentlich selten plaudern sie wirklich privatprivat, Geheimnisse schon gar nicht, weil man bei der Polizei ja doch eng aufeinandersitzt, darum besser psst, weil Korridor, und Gerüchte fliegen schnell.
    Und der Müller: «Warst du beim Arzt?»
    Kopfschütteln vom Manfred.
    Und bevor die unheilige Inquisition weiter in des Buchers Fleische herumstochern kann, Mobiltelefonklingeln in Manfreds Jackentasche. Das Vibrieren lässt Buchers Jacke fast von der Stuhllehne plumpsen. Worum geht’s konkret? Natürlich Anruf zum Auto in der Schlucht und all den toten Musikern.
    Jetzt Personalien?
    Ja, jetzt Personalien. Bucher Manfred kramt sein bestes Französisch aus dem Handschuhfach und sagt: «oui» und hört und wieder «oui» und wieder, und muss gar nichts aufschreiben. Weil der «Elefant von Aussersihl» auch ein Elefantengedächtnis hat. Da bleibt alles drin. Und sagt schliesslich: «Merci, cher collègue, tu m’envoies cela aussi par

Weitere Kostenlose Bücher