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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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bisher, wie wir in Zürich sagen: «keis Problem.»
    Nun sind sie über eine Klippe gestolpert, im wahrsten Sinn des Wortes, mit dem Auto. Und jetzt tot.
    Ein richtig letales Problem also: Ist Schnitter Tod auf seinem schwarzen Rappen gekommen, hat seine schwarz funkelnde Sense geschwungen und gemäht, du meinst, du schaust einen B-Streifen oder sogar C. So voll frontal ins Jenseits hat er Spitfire befördert.
    Die Männer von 117, 118 und 144 können die Opfer nur schwer bergen.
    Denn die dramatischen Ereignisse sehen aus der Nähe in Zeitlupenwiederholung so aus: Sebastian Fuhrer lenkt, der Bus ist vollgestopft mit Verstärkern, Lautsprechern, Kabeln und Gitarren (unter anderem «Hausi» Sollbergers wunderbare halbakustische Gretsch , ein Gedicht von Gitarre, nicht wahr, Lyrik aus nachwachsenden Rohstoffen, aber bald zu Sägemehl und Splittern zermatscht) und Effektgeräten, Keyboards, Computern. Neben Sebastian Gitarrist «Hausi» Sollberger, Bassist René Gabathuler, dahinter der muskulöse Schlagzeuger Goran Krstic und Keyboarder Stefan Meier und Tontechniker James O’Toole. Sechs Mann.
    Und der voll beladene Bus (Übergewicht?) fährt jetzt aus dem Petit-Val bald um die Ecke, zuerst die fast gerade Strasse durch den Tannenwald hinunter. Darunter Cellomusik. Dunkel. Staccato. Durch den Tunnel. Geradeaus der als Fels schlecht getarnte Bunker. Nach rechts zwischen Felsen aus Stein hindurch. Weicht Steinbrocken auf der Strasse aus. Enger Schlitz, kaum Sonne – und in der Nacht sowieso nicht. Und vorbei am Hof von Pfister. Hund Luggi vor dem Stall. Verbellt Schwalben.
    Fragt sich, ob das wirklich stimmt so. Obwohl, fliegen Schwalben in der Nacht?
    Gut, ist Detail. Verbellt vielleicht Eulen oder Fledermäuse. Taucht später im Rapport nicht auf, weil nicht vorfallrelevant.
    Und was sucht Hofhund Luggi nachts draussen an der Strasse? Ein Haftpflichtproblemrisiko zieht auf am Horizont.
    Aber man sagt ja: Tiere haben so ein Gefühl. Sie spüren Erdbeben vorher. Vulkanausbrüche. Vielleicht auch das, was jetzt folgt in den Gorges du Pichoux im Grenzgebiet zwischen Kanton Bern und Canton du Jura. Nämlich:
    Also links an Strassenrand das unregelmässig fast immer geschlossene Restaurant «Couronne». Und scharfe Linkskurve, Engpass, schlängel, schlängel, jetzt wird’s kritisch, weil das Auto beschleunigt und beschleunigt.
    Was ist passiert?
    Sebastian am Steuer eingeschlafen? Fehlendes Profil an den Reifen? Alkohol im Spiel? Steine auf der Strasse? Die Linkskurve zu schnell genommen? Wurde er abgelenkt? Ist der vollgepackte Bandbus überladen?
    Und Sebastian kann jedenfalls nicht mehr bremsen. Die linke Seite des Autos berührt und touchiert den Felsen … auf falscher Seite der Fahrbahn. Zum Glück kein Gegenverkehr. Sebastian kurbelt, kurbelt, Lenkrad, Lenkrad, linksrum, rechtsrum, festhalten, tritt Bremspedal hinunter, hinunter, hinunter, schreit, flucht, schwitzt, schreit und schwitzt und flucht. Augen wölben sich aus den Höhlen. Wollen fast herauskommen. Keyboarder Stefan Meier kotzt. Schlagzeuger Goran Krstic klammert sich fest. Gitarrist «Hausi» Sollberger wacht aus postkonzertaler Erschöpfung auf. Bassist René Gabathuler krallt sich an die Türe. Tontechniker James O’Toole … wo ist Tontechniker James O’Toole? Muss ich später im Rapport nachsehen. Das Auto schaukelt, torkelt, schwankt, ruckelt, schüttelt, schrammt rechts an die Leitplanke, wird nach links geworfen, Zurückprall, Aufprall wieder rechts, steile Strasse, steile Strasse, enge, enge Strasse, enge steile enge Strasse. Dann zieht das Auto nach rechts. Mit der Lenkung ist irgendwas. Ist irgendwas mit der Lenkung?
    «Die Bremsen sind kaputt», schreit Sebastian.
    Letzte Worte.
    Weil dann ein Knall.
    Knall.
    Geht ungefähr: «Krawummmmmm.»
    Der Bandbus durchbricht das Steinmäuerchen rechts, knirscht gequältes Metall, surrt die Luft. Pfeift. Sirrt. Schweigt. Der Flug des Busses macht keinen Lärm mehr. Erst wieder der Aufprall unten in der Schlucht im Bach, der friedlich nach Norden rinnt. Jetzt vermischt mit Benzin, Blut, Öl, Benzin, Benzindämpfe. Wamm! Die Explosion.
    «Wamm!»
    Es ist vorbei.
    Alle tot. Bodycount: Sebastian Fuhrer + Stefan Meier + Hanspeter Sollberger + Goran Krstic + René Gabathuler + James O’Toole = sechs Stück. Aktuelle Platte: «Car Crash Spells». Schoss in der Folgewoche in der Hitparade auf Nummer zwei. (Davor nur ein transatlantischer Rhythmusschmachter). Das Showbusiness ist brutal.
    Jetzt folgt

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