Mueller und die Tote in der Limmat
immer.
MH : Aber er wollte Spitfire aus dem Vertrag mit Johnny lösen und mich dabei loswerden. Und die Band war einverstanden. Ich musste es tun.
TFH : Ich weiss von Spannungen in der Band …
MH : Hat Ihnen … Goran davon erzählt?
TFH : … Sie haben Sandra M. erwähnt, die recht erfolgreiche Solokünstlerin. Was wissen Sie über ihren Tod?
MH : Das war nicht ich. Das war Johnny (Hansueli M., der Manager von Sandra M.; d. Red.).
TFH : Woher wollen Sie das wissen?
MH : Ich weiss es.
TFH : Sie wissen, dass Sie sich strafbar machen, wenn Sie jemanden fälschlicherweise beschuldigen?
MH : Ich beschuldige niemanden fälschlicherweise.
TFH : Ihnen ist bewusst, dass Sie jetzt vor einem Scherbenhaufen stehen?
MH : Ja.
TFH : Ihnen ist bewusst, dass Sie sechs Menschen getötet haben?
MH : Ja.
TFH : Und was wollen Sie jetzt tun?
MH : Ich weiss es nicht.
So endet die Laufbahn eines mittelmässigen Rock-Sängers», schrieb Tobias F. Hubacher weiter, schon hammerhart brutal und zugespitzt, «mit Mord und Totschlag». Und weiter: «Man muss die Frage stellen: Ist eine Musiker-Generation nachgewachsen, der zum vermeintlichen Erfolg jedes Mittel recht ist?»
Und der Müller denkt: liest sich gut, saubere Leistung. Nur: Waren Sandra Molinari und Mark Huber wirklich zusammen? Oder war das vielleicht nur Marks Wunsch? Es gibt keine Beweise. Gut, «Huber, Molinari, Krstic» auf Türklingel in der Elisabethenstrasse, wo Sandra Molinari und Goran Krstic wohnhaft waren – und ein Huber. Aber Huber gibt es im deutschsprachigen Westeuropa doch den einen und anderen. Sagte zwar Toby, dass Mark Huber dort. Aber ist bisher unbestätigte Aussage. Angetroffen hat der Müller dort bisher niemanden. Aber die Behauptung, dass Johnny Maurer Sandra getötet hat, ist krude. Wie kommt er dazu?
Müller hat natürlich einen Informationsvorsprung, aber den wird er der Boulevardpresse nicht auf die Nase binden. Johnny hat ein Alibi und ist weissgewaschen in der causa Molinari.
Und in Müller Beni blitzt es im Kopf Ideen, und zu überlegen fliessen die Fragen, die noch nicht beantwortet sind:
a) Wer war der Kleiderschrank, der mich prügeln wollte bei der Post 8036 Zürich-Wiedikon?
b) Wer schoss am Mittwoch gegen den Küchenwandputz von Johnny? War es wirklich Mark, wie Johnny sagte?
c) Was hatte es mit der CD -Übergabe am Mittwoch, siebzehn Uhr, zwischen Holderegger & Johnny auf sich? Hintergründe bitte!
d) Warum war Mark Huber nach dem Konzert in Biel am Mittwoch nicht mit seiner Band im Unfallwagen?
e) In welcher Beziehung standen Mark und Sandra und Sebastian? Ein Liebesdreieck? Sex? Geld? Vertrag? Liebe?
f) Wem nützen die Toten?
g) Wo ist Mark Huber?
h) Wie nur hat Tobias F. Hubacher Mark Huber aufgespürt? Den suchen schliesslich seit Stunden alle verfügbaren Polizeikräfte der schönen Stadt Zürich.
Diese Fragen mussten endlich einmal aufs Papier. Natürlich zirkulierten sie schon lange im Müllerkopf. Das nennt man «rollende Ermittlung», was heisst: immer überall gleichzeitig kratzen und weiterdenken und alles ständig neu considerieren. Bloss jetzt noch einmal Zwischenbilanz. Ist ein Innehalten vor grossem Sprung nach vorn (wie Mao Tse-tung von China). Darum greift der Müller zum Mobiltelefon.
Musikboulevardchefzeitung Toby schuldet ihm eine Antwort.
«Herr Hubacher», sagt der Müller mit brutalem Sie im Unterton. «Hier spricht Müller.»
Das muss er sagen, auch wenn Tobys Telefon ihn schon an der Nummer auf dem Display erkannt haben wird.
«Hallo, wie geht’s», sagt Toby, unbedarft.
«Keine Floskeln», schneidet der Müller die Zeit kurz, «Herr Hubacher, wo ist Mark Huber?»
«Morgen auf den Seiten eins und vier», sagt Toby. Denkt unmodern nicht an die Webpräsenz, sondern nur an die Blattseiten, die gleich in Druck müssen.
«Keine Spässe jetzt», sagt der Müller. «Wo?»
«Heute Mittag war er hier in meinem Büro.»
Der Müller: «Und Sie lassen ihn einfach weg? Der Mann ist … könnte ein Mörder sein.» (Die Unschuldsvermutung gilt bis zum rechtskräftigen Urteil.)
Frech, der Toby: «Zweifelst du an unserer Berichterstattung?»
«Ich kriege Sie dran», will der Müller sagen, aber die Paragrafen fallen ihm nicht ein. Sagt’s also nicht. Die Temperatur ist schuld. Deshalb drückt er wortlos das rote Telefönchen und Toby aus der Leitung.
Zum Glück ist er schon zu Hause. Er will nur noch Zürich-Wasser trinken, kristallklares, kühles, Früchte essen, in Boxer-Shorts auf dem Sofa
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