Mueller und die Tote in der Limmat
denkt. Haben sich auch befreundet. «Bretzeli.ch» heisst so, weil Christoph Weiss dort mit Belegschaft, wahnsinnig junge und kreative Belegschaft im zweiten Stock an der Bäckerstrasse 40 eingepfercht, Lösungen im IT -Bereich erarbeitet. Christoph Weiss hat Hobby Musik, was dem Müller nicht fremd, aber eher so Cello, und auch Krimis, was der Müller aus der Praxis vom Berufsalltag her kennt. Aber der Müller verrät natürlich nichts Dienstliches, weil Geheimnis, Paragraf und Reglement. Da kannst du dir rein gar nichts erlauben.
Und kommt jetzt Sebastian Fuhrer hinzu, den wir gestern im Proberaum von Spitfire an der Bierflasche als Beobachter gesehen haben. Und sie plaudern als Trio jetzt gerade über einen Film, von dem ich die Überschrift momentan vergessen habe, was nicht so wichtig ist, aber kommt mir schon wieder in den Sinn.
Und jetzt wird es kurz still in der Runde, weil Sebastian plötzlich die Hand in die Luft und zischt «psst!» und schnellt aus dem Sofa, fällt fast vornüber, stürzt zu Menschen mit Bierflasche in der Hand, die dastehen und diskutieren, drei Typen in T-Shirt und Stoppelbart und Wuschelfrisur, so Indie-Publikum.
«Was habt ihr gerade gesagt?», platzt Sebastian in dieses Grüppchen hinein.
Und die Kerle irritiert.
«Pardon, ich habe unfreiwillig mitgehört.»
Und schon etwas Entspannung.
«Von Sandra hat einer von euch gesprochen.»
Und der eine sagt: «Ja, sie wurde heute Nachmittag tot aus der Limmat gefischt.»
Sebastian nickt ein Dankeschön und zurück zum Müller und zu Christoph Weiss und sinkt aufs Sofa und ist still und murmelt nur: «Nein!» Und ist schon ziemlich berührt, dünkt’s mich. Wird bleich, obwohl gebräunt, und sein Gefühl ist sicher schlecht. Aber wir wissen natürlich nichts Näheres. Wir kennen ihn ja fast nicht. Er verstummt völlig. Sagt nur zu den anderen: «Sandra ist tot, heute Nachmittag aus der Limmat gefischt.»
Und der Müller Benedikt in der indirekten Rede, jaja, er sei dabei gewesen als, und tragisch und so jung und ein Unfall?
Und Sebastian: «Weiss nicht.»
Und Christoph Weiss zu Sebastian: «Hast du sie gekannt?»
Sebastian: «Ja.»
Der Müller: «Nein. Sandra wie noch?»
Sebastian: «Molinari. Die Musikerin.»
Und Müller → Sebastian: «Gut gekannt?»
Und Sebastian: «Schon lange.» Und schweigt.
Und Christoph Weiss: «Scheisse.»
Und der Müller gibt Christoph Weiss zwar recht, aber schweigt jetzt, denn er würde nicht dieses Wort einsetzen, um das zu sagen. Sondern, wir sind in der Schweiz, auf Schulter klopfen, höchstens, bedeutungsbeladen seufzen, beredt schweigen, in den Himmel hinaufschauen oder auf die schönen nackten Beine von jemandem, die gerade in der Nähe herumsitzt.
Aber vorher dieses Trio und sonst beim S-Bahn-Wagen alle anderen sehr gesprächig also. Wie das so geht in grosser Stadt, in welcher viele Menschen auf engstem Raum zusammenleben. Da musst du manchmal eben sprechen, sonst halten sie dich für ein Wort, das ich hier nicht schreiben will.
Und Müller denkt: Also Musikerin und im Internet und im Pressearchiv suchen, weil ich kann ja jetzt nicht zu viel Interesse zeigen, weil sonst Verdacht, ich bin morbid oder Ausscheiden aus Polizeidienst nur Trick, um jetzt Undercover-V-Mann. Aber übertriebene Vorsicht, weil dem Sebastian ist unbekannt, dass der Müller der Goldzahn von Polizei Zürich ist. Weiss nur, dass der Müller sehr psychisch, weil war Kellner im Restaurant Bahnhöfli Wiedikon, wo ab und zu Müller und Bucher Manfred viel essen und da über Schnitzel und Pommes frites ins Gespräch gekommen, wie das halt so geht. Gemeinsames Interesse: Musik. Aber was macht Sebastian jetzt, wo nicht mehr Kellner? Weiss ich nicht genau, weiss der Müller nicht, vielleicht Sebastian selber nicht, aber für ein Bier reicht es ja. Dass der Müller nicht nur «Müller», sondern auch «Benedikt» heisst, ist im Grunde fast ein Staatsgeheimnis. Weil alle immer «Müller da» und «Müller dort» und «Müller sowieso». Das googelt keiner. Ist ein guter Deckmantel: Der Name vom Müller fällt nicht auf. Das ist die halbe Kunst der Polizei, verrate ich jetzt als Geheimnis.
Und Sebastian geht jetzt.
Und die anderen, Müller und Christoph Weiss, plaudern doch noch etwas weiter, weil «Des andern Leid ist mir zu weit» (La Rochefoucauld). Und der Müller will vor allem hören , weil hören immer interessanter ist als sprechen, und schauen ist auch schön, weil eben ein beschaulicher, lauer Abend, Sommer und
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