Mueller und die Tote in der Limmat
(folgt Liste völlig unbekannter Bands) und mit (folgt Liste völlig unbekannter Musiker) und in (folgt Liste von Kulturzentren und Konzertlokalen, Löwenanteil existiert nicht mehr, weil Konkurs oder Nervenzusammenbruch wegen Piesacken und Kujonieren seitens der Nachbarn, die ruhig schlafen, immer nur ruhig schlafen wollen und keine Bohne Verständnis für laute Kultur, aber stell dir mal vor, im Nachbarhaus deathmetallen sie jeden Di/Mi/Do/ Fr/Sa und am So noch als Matinee. Da wird aus jedem Chaos-Punk ein Spiessbürger).
Aber genug jetzt. Zurück zum Fall Sandra Molinari, von Müllers Kopf in die Realität, er urteilt: Das Plattenfirmeninfo kann man nicht lesen und Informationsgehalt = null, deshalb hier, das heisst gerade vorher oben von dem Müller nüchtern zusammengefasst. Summa summarum schon ein berufliches Bild der Toten.
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Wer im Universitätsspital im Flügel C im Erdgeschoss an der Tür zum Zimmer 104 vorbeispaziert, entdeckt dort eine Treppe, die nach unten führt, ins Untergeschoss, das hier unter Bodenniveau angesiedelt ist. Gewissermassen unterirdisch. Alles weiss gestrichen, bis in Schulterhöhe mit Ölfarbe, abwaschbar. Dort unten ist das Reich von Dr. Brenda Marquardt, der Pathologin. Hier schneidet sie die toten Menschen auf, um ihren Körpern die letzten und fatalen Erkenntnisse zu entlocken:
1. Warum ist dieser Leichnam tot?
2. Wie ist der Leichnam tot geworden?
3. Wann ist er tot geworden?
4. Allenfalls, und das ist sehr schwierig: Durch wen ist der Leichnam ganz tot geworden?
Diese Fragen versucht Dr. Brenda Marquardt zu beantworten, indem sie die Menschen aufschneidet und ihre Körperteile entweder der Grösse oder der Farbe oder dem Gewicht nach sortiert. Manchmal sogar alphabetisch.
Sie werden vielleicht einwenden: «Das stimmt nicht. In Wirklichkeit gehen Pathologen ganz anders vor. Das weiss ich vom Fernsehen.»
Ihre Einwände in Ehren, aber sie sind Quatsch. Dr. Brenda Marquardt ist eine sehr gute Pathologin mit einem internationalen Erstklasseruf, obwohl sie noch gar nicht alt ist (ungefähr 35), aber mit Erfahrung bis zum Abwinken, eine Publikationsliste kleingedruckt so lang wie ein Mammutoberschenkel, und die Zahl der gerichtsmedizinischen Vorgänge, die sie abgeschlossen hat, erhöht sich laufend, fast explosionsartig. Nicht, weil die schöne Stadt Zürich so saukriminell wäre, ist sie schon ein bisschen, aber nicht so stark. Grund für die explosionsartige Vermehrung der gerichtsmedizinischen Vorgänge auf dem Aktivkonto von Frau Dr. Brenda Marquardt ist ihre internationale Reputation. Sie schneidet manchmal in London auf, manchmal in Paris, sogar in Bordeaux, und in vielen Städten Deutschlands und in der Schweiz sowieso. Sie schneidet in Wuppertal auf und in Köln, in Neuruppin und in Weimar, in Oberstdorf und in Garmisch-Partenkirchen, in Düsseldorf und nicht zuletzt an der Charité in Berlin. Ich sage dir, was die schon aufgeschnitten hat, geht auf keine Kuhhaut.
Dr. Brenda Marquardt ist eine überaus tüchtige Frau. Sie arbeitet viel und exzellent, ist intelligent und humorvoll und gross gewachsen und schön, also ungefähr das Wunschbild von fünfzehn Prozent der männlichen Bevölkerung. Die anderen haben lieber Dumme, die zu Hause fernsehen oder durch die Boutiquen und Solarien streifen. Aber für die Polizisten ist es immer eine grosse Freude, in Dr. Brenda Marquardts Katakomben, wo die menschlichen Trümmer, welche wo verursacht werden durch das Böse im Menschen oder einfach durch tragische Unfälle, als Strandgut des Lebens ihre körperlichen Geheimnisse aushauchen. Nicht immer ist es das Böse, das die Menschen dahinrafft, nicht immer das Verbrechen, was böse Taten begeht, manchmal ist es ein Auto, ein Tram, eine Kältewelle, die Droge, das Herz oder der Krebs. Nicht einmal die seltenen Krankheiten wie Takayasu-Krankheit, HSAN 1 oder Septische Granulomatose sind gegen Dr. Brenda Marquardts Scharfsinn gefeit. Sie findet sie alle. Sie verfügt über ein fotografisches Gedächtnis, und wenn sie in der Fachliteratur ein Krankheitsbild geistig fotografiert hat, entlarvt sie es fast sofort, auch wenn nur einer von hundert Millionen Zürchern daran stürbe. Kann man sagen: So viele gibt es nicht, bloss circa dreihundertneunzigtausend auf vierhundertacht Metern über Meer. Natürlich, so ist es. Die hohe Zahl ist statistisch gemeint. Capisci? Und viel menschliches Leid haben die sauberen weissen Wände von Dr. Brenda Marquardt schon gesehen, die blitzenden
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