München - 2030
Victor.
»Personenkontrolle, kann ich mal bitte den Ausweis sehen!«
Victor wurde kalkweiß im Gesicht und zog seinen Ausweis hervor. Genüsslich kostete Brenninger seine Lage aus, er war sich sicher, Victor diesmal auf frischer Tat ertappt zu haben.
»Seit wann brauchst du denn einen Rollator«, fragte er spitzfindig, während er oberflächlich Victors Ausweis prüfte.
»Oder ist das am Ende etwa gar nicht deiner?« Ein arglistiges Grinsen umspielte Brenningers Gesicht.
»D-d-doch ... «, stammelte Victor. Seine Kehle war ihm auf einmal so trocken, als ob er einen Löffel Mehl hinuntergeschluckt hätte. Victor begann zu schwitzen.
»Ich hab gehört dein Spitzname sei in gewissen Kreisen Rolli-Hood«, sagte Brenninger. »Wer hat dir denn so einen dämlichen Namen gegeben? Und vor allem warum?«
Jetzt wurde es Victor so richtig heiß. Wie hatte Brenninger von seinem Spitznamen erfahren, mit dem ihm die anderen Rollatordiebe bedacht hatten. Er hasste diesen Beinamen geradezu und keiner seiner Freunde durfte ihn so nennen.
»Woher hast du diesen Rollator?«, legte Brenninger mit scharf klingender Stimme nach.
»I-ich h-hab ihn ... «, stammelte Victor, »von ... von ... «
»Er hat ihn von mir«, hörte Victor eine Stimme hinter sich, die ihm nur allzu bekannt vorkam. Und Victor war schlagartig eine Erleichterung anzusehen. Es war die Stimme von Charly, seinem Mitbewohner.
Brenninger hatte diesen Charly vor vielen Jahren einmal im Gerichtsgebäude gesehen. Er ging daher davon aus, dass es sich bei ihm um einen Juristen handeln musste. Ein Umstand, der Brenninger nicht geheuer war. Jetzt war es Brenninger der ins Schwitzen geriet.
»Ach, wenn das ihrer ist, dann ist das völlig in Ordnung, warum haben Sie das denn nicht gleich gesagt?«, starrte Brenninger vorwurfsvoll zu Victor und gab ihm seinen Ausweis zurück.
»Ich muss nun wieder weiter«, sagte Brenninger scheinfromm und machte sich linkisch davon.
»Das war wirklich in letzter Sekunde«, stöhnte Victor, als Brenninger außer Hörweite war.
»Vielleicht solltest du das mit dem Rollator klauen mal sein lassen. Am Ende erwischt dich dieser Brenninger noch und buchtet dich ein.«
»Ich werd’s mir mal durch den Kopf gehen lassen«, erwiderte Victor.
»Ich muss nun wieder weiter«, sagte Charly und machte sich auf den Weg, doch nach ein paar Metern blieb er erneut stehen und wandte sich noch einmal um.
»Eins noch«, sagte er mit einem Grinsen im Gesicht. »Ich würde an deiner Stelle lieber den Umweg über den Park in Kauf nehmen, an der Kreuzung ist mir Frau Schmerling begegnet – an ihrem Rollator würde wieder etwas nicht stimmen, behauptet sie.«
»Danke für den Tipp«, stöhnte Victor erleichtert und schlug eine andere Richtung ein. Frau Schmerling wollte er keinesfalls über den Weg laufen. Sie war eine entfernte Cousine von seiner Freundin Susann. Und seit ihr Victor auf Susanns Wunsch hin einen Rollator besorgt hatte, verfolgte sie ihn richtiggehend. Er nahm den Durchgang zwischen zwei Wohnblöcken und wollte dann die Parallelstraße entlang.
Als Victor das Ende des Plattenbaus erreichte, sah er noch einmal abgehetzt nach hinten, zum Glück war der Weg Menschenleer, doch als er den Kopf wieder nach vorne wandte und gerade um die Ecke bog, fuhr er mit seinem Gehwagen beinahe in Frau Schmerlings Rollator.
»Ach da sind sie ja Herr Victor«, japste Frau Schmerling. Sie war ganz außer Atem.
»Ich hab sie schon an der Hausecke gesehen, da habe ich mich beeilt, dass ich sie noch erwische«, keuchte sie.
Victor fluchte innerlich, an diesem Tag schien alles schiefzugehen, doch er fügte sich in sein Schicksal und grübelte bereits, mit welcher Ausrede er sich wieder loseisen konnte, damit ihn Frau Schmerling nicht wie üblich stundenlang aufhielt.
Frau Schmerling lebte ein Nachbarhaus weiter. Die alte Dame war Witwe und hatte zwei ihrer Männer überlebt. Ihr letzter Ehemann hatte ihr ein größeres Erbe hinterlassen und finanziell war für sie jetzt gesorgt. Im
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