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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Gschwend
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Trauer aus. Zu dieser Zeit war es nicht üblich, dass die Familie zur Beerdigung ging, wenn das verstorbene Kind unter fünf Jahre alt war. Kinder wurden nicht, wie heute, als besonders kostbar und unersetzlich angesehen, denn sie waren zahlreich und allzu leicht «ersetzbar». Viele Kinder starben – zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert erreichte nur knapp die Hälfte der Kinder überhaupt das zehnte Lebensjahr, 20-30 % starben bereits im Verlauf des ersten Lebensjahres. Eine allzu enge Gefühlsbindung konnten sich die Eltern also gar nicht «leisten». Elisabeth Badinter kommt angesichts der horrenden Kindersterblichkeit und aufgrund ihrer ausführlichen Untersuchungen der damals herrschenden gesellschaft lichen Verhältnisse zu der Feststellung: «Nicht weil die Kinder wie die Fliegen starben, haben sich die Mütter so wenig für sie interessiert, sondern die Kinder sind deshalb in so großer Zahl gestorben, weil die Mütter sich nicht für sie interessierten.» (Badinter 1980, S. 63)
    1.1.2  Das 19. Jahrhundert: Idealisierung der Mutterschaft
    Mit Beginn des späten 18. Jahrhunderts wird die Stellung des Kindes in der Gesellschaft enorm aufgewertet und ebenso tiefgreifend verändert sich das Bild der Mutter, ihre Rolle und ihre Bedeutung. Neue Ansichten über Haushalt und Arbeit, Frauen und Kinder etablieren sich. Im Rahmen wirtschaftlicher Interessen und humanitärer Motive des Kinderschutzes entsteht eine historisch neue Ideologie von Familie und von der Beziehung zwischen Mutter und Kind.
    Die fortschreitende industrielle Entwicklung und die neuen Produktionsverhältnisse führen zu einer Trennung von Arbeits- und Wohnort und damit werden die Arbeitswelt und die Welt des Heims und der Kinderversorgung voneinander abgekoppelt. Dies hat auch eine Veränderung der Familienstrukturen zur Folge. Das Überleben hängt in zunehmendem Maß nicht mehr von der Zugehörigkeit zu einer gemeinsam wirtschaft enden Familiengruppe ab, sondern beruht auf der Leistung des einzelnen Menschen. Arbeiterfamilien entstehen, die Männer, aber auch die Frauen und die größeren Kinder arbeiten täglich zwölf bis sechzehn Stunden außer Haus, in den Fabriken. Die Säuglinge und Kleinkinder werden in dieser Zeit zu Hause zurückgelassen, unter Obhut der Alten oder der Geschwister oder allein. In letzterem Fall werden sie häufig mit Alkohol oder Opium betäubt, um sie ruhig zu stellen.
    Auch in der sich nun ausbreitenden bürgerlichen Mittelschicht sind Arbeits- und Wohnstätte für Männer nicht mehr identisch. Der Vater tritt das Exil in die Berufswelt an und wird zu Hause zu einer Randfigur. Mutter und Kind werden, abgetrennt von der öffentlichen Welt des Mannes, im Haus isoliert. Aus der Hausmutter des 18. Jahrhunderts wird die Nur-Hausfrau und «Mutter am Herd» und die Figur des außerhäusig erwerbstätigen Vaters verblasst langsam neben der immer präsenten Mutter, die an Macht und Bedeutung gewinnt. Heim und Familie, nie zuvor als abgesonderter, privater, gefühlsbetonter Lebensbereich verstanden, sollen nun unter der Obhut und Leitung der Mutter ein Ort der Menschlichkeit und der Zuflucht sein, eine «Gegenwelt» der Geborgenheit zu einer als kalt und unmenschlich empfundenen Außenwelt. Neu und reich an Konsequenzen ist auch die Verknüpfung von biologischer Mutterschaft (Kinder gebären) und sozialer Mutterschaft (Kinder pflegen und aufziehen) sowie die Zuweisung der langjährigen Alleinverantwortung für die Kinder an die leiblichen Mütter. Einen großen ideologischen Einfluss, vor allem im aufstrebenden Bildungs- und Besitzbürgertum, haben hierbei humanitäre Schriften, wie die von Rousseau, Pestalozzi und anderen, die eine bewusste Erziehung fordern, die sich der speziellen Eigenart und Entwicklung des Kindes anpassen sollte.
    Die Wertigkeit und Stellung des Kindes in Gesellschaft und Familie verändern sich nun erheblich und eine neue Haltung gegenüber Kindern entwickelt sich. Ein Interesse an einem kinderreichen Volk entsteht und Kinder bekommen einen eigenen gesellschaftlichen und kommerziellen Wert. Sie werden nicht mehr in erster Linie als eine (kurzfristige) Last, sondern als von langfristigem Nutzen wahrgenommen. Nun war aber, wie bereits dargestellt, die Säuglings- und Kindersterblichkeit extrem hoch und das bis ins 19. Jahrhundert hinein unabhängig von der Schichtzugehörigkeit. Mit dem angestrebten Bevölkerungszuwachs wächst das Interesse, dass die Kinder überleben sollen. Ihrer Pflege und ihrer

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