Muetter ohne Liebe
«unweiblichen» Karrierefrau. In einem Leserinnenbrief an eine Zürcher Lokalzeitung vom 12. März 2008 schreibt dazu eine Betroffene: «Ich bin leider kinderlos und werde von Müttern nicht selten als egoistische und karrieregeile Frau abgewertet.» Diese Abwertung zielt noch mehr auf Frauen, die es gar nicht bedauern, keine Kinder zu haben, denn noch immer wird die Ablehnung der Mutterschaft als eine verdächtige, fast anrüchige Verweigerung der weiblichen Bestimmung empfunden.
Über Abtreibungen zu sprechen ist nach wie vor tabu und sie zu erwähnen unanständig. Und noch immer werden Frauen überredet oder auch dazu gezwungen, Kinder zu bekommen, die sie nicht wünschen, und obgleich sie wissen, dass sie emotional und finanziell nicht für sie sorgen können. Auch hierzulande gibt es kein uneingeschränktes Recht der Frau auf Selbstbestimmung bzw. Freiwilligkeit der Mutterschaft. In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch nach wie vor rechtswidrig, wobei Straffreiheit in einer Reihe von Fällen möglich ist. Der Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche ist straffrei möglich, unterliegt jedoch der gesetzlichen Pflicht, sich zuvor einer Schwangerschaft skonfliktberatung zu unterziehen. In der Schweiz gilt seit 2002 die Fristenregelung, wonach der Entscheid über einen Abbruch der Schwangerschaft in den ersten zwölf Wochen bei der Frau liegt. Es besteht dabei keine gesetzliche Beratungspflicht.
Solche Einflüsse auf die weibliche Psyche und deren «freiwilligen Kinderwunsch» sind nicht zu unterschätzen. Wie bejahend die Einstellung der Frau zur Mutterschaft und zum Kind wirklich ist, hängt aber auch von der Beziehung zum Vater des Kindes und dessen Empfindungen ab, von ihren Tätigkeiten, von den finanziellen und sozialen Bedingungen, von ihrer Persönlichkeit und der Beziehung zu sich selbst sowie von ihrer persönlichen Lebensgeschichte. Der Grad an Freiheit und Bejahung in der Entscheidung zum Kind aber erleichtert oder erschwert schon lange vor der Geburt das nächste Stadium der Entwicklung der Mutterliebe, die Phase der so genannten «primären Bindung» zwischen Mutter und Kind. Später eher lieblose Mütter oder Mütter, die wenig, eine ambivalente oder eine überwiegend negative Verbindung und Bindung zu ihren Kindern haben, verspüren häufig schon in dieser Phase eine hohe Ambivalenz in ihrer Einstellung zur Mutterschaft und der Existenz des Kindes gegenüber. In diesem Fall ist die Entstehung einer «primären Bindung» zwischen Mutter und Kind bereits nicht mehr ganz selbstverständlich. Schon im Mutterleib entstehen also überwiegend positive, negative oder ambivalente erste Beziehungen zum Kind.
Die primäre Bindung
Von der primären Bindung, der ersten Phase der Bindung zwischen Mutter und Kind war schon im Zusammenhang mit dem «Bonding» und der Ausschüttung des Hormons Oxytocin während und kurz nach der Geburt die Rede. Diese intensive frühe Form der mütterlichen Bindung und Bezogenheit während der Schwangerschaft, kurz nach der Geburt und während der Säuglingszeit ist in erster Linie von einer körperlicharchaischen, sinnlichen und triebhaften Natur. Mutterliebe in diesem Stadium ist verbunden mit Genuss, dem Gefühl der Bereicherung und Befriedigung beim Anblick des Babys, beim Duft seiner Haut, ist verbunden mit dem Verlangen, das Baby zu halten, zu berühren, zu nähren und ihm nah zu sein. Diese ganz elementare, sinnliche Befriedigung hilft der Mutter auch über manche Frustration im Zusammenleben mit dem Säugling hinweg und bildet eine gute Grundlage für die Entwicklung der nächsten Phase der Mutterliebe, der seelischen und sozialen Mütterlichkeit, der liebenden Beziehung zu einem zunehmend eigenständigen Wesen. Eine Mutter schildert das Stadium der primären Bindung zu ihrem Sohn in anschaulichen Worten:
Der erste Grundstein unserer Beziehung hatte viel mit körperlicher Lust zu tun. Ich genoss dieses quicklebendige Wesen mit seinen prallen Schenkeln und Armen, die nach allen Seiten gleichzeitig in die Welt hinein zu greifen schienen, so voll unglaublicher Energie und Neugier. Zum Bersten beglückend, wie er sich strahlend an meiner Brust freute, wie er lachte, wenn ich ins Zimmer trat. Der Genuss, den Geruch seiner Haut zu riechen, die Lust des Stillens. So gab es in diesem ersten Lebensjahr etwas, das zwischen uns wuchs und wuchs und uns in vielen einzelnen körperlichen Berührungen zu verbinden begann. Und wenn wir im Lauf der gemeinsamen Jahre so
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