MUH!
verführerischer als der meine war und die Szene vor meinen Augen eindeutig zu sein schien, hoffte ich inständig, Champion würde die Wahrheit sagen. Dass es wirklich nicht das war, wonach es aussah, und dass er mir eine plausible Erklärung für alles liefern konnte. Falls er dies nicht tun könnte, wäre mein Lebenstraum zerstört. Jener Traum, den ich seit dem letzten Sommer träumte: Damals war ich noch eine junge Kuh von gerade mal zwei Sommern gewesen, und in meinem Herzen herrschte eine große Unruhe. Ich war begierig zu erfahren, was der Sinn des Lebens war, doch wenn ich die alten Kühe auf der Weide danach befragte, hörte ich nur: «Grasen ist doch eine ziemlich feine Sache.»
Diese Antwort reichte mir ganz und gar nicht. Das Leben, so dachte ich, musste doch aus mehr bestehen als nur Grasen, Wiederkäuen und den anderen Kühen zu erzählen, was man für einen gigantischen Fladen produziert hatte.
An einem besonders heißen Tag zeigten mir ausgerechnet zwei Eintagsfliegen, was dieses «mehr» sein könnte. Am frühen Morgen wurde ich Zeuge, wie sie aus einer kleinen Gewitterwasserpfütze vor mir schlüpften. Ganz zerbrechlich wirkten die beiden kleinen Geschöpfe in ihren ersten Minuten auf dieser Welt. Schon in diesem jungen Alter fühlten sich die beiden Fliegen zueinander hingezogen. Ich beschloss, sie zu beobachten, und gab ihnen die Namen «Summ» und «Herum». Die beiden niedlichen Wesen verbrachten ihre gesamte Kindheit zusammen mit gemeinsamem Fliegen und Umhertollen, also ungefähr eine halbe Stunde.
Mittags wurden sie zu Mann und Frau. Summ befruchtete seine Herum, ein Vorgang, bei dem ich selbstverständlich dezent wegsah. Die beiden bekamen Kinder. Eintausend Stück. Und ich verzichtete lieber darauf, ihren Babys ebenfalls Namen zu geben.
Liebevoll zogen die beiden Eintagsfliegen ihre Kleinen auf, auch wenn das ziemlich anstrengend war, besonders am Nachmittag, als alle tausend Kinder wilde Heranwachsende waren – anscheinend war dies ein Lebensabschnitt, in dem man nur bedingt zurechnungsfähig war.
Am Nachmittag wurden die Kinder endlich erwachsen. Summ und Herum genossen fortan ihr Leben zu zweit und machten immer wieder Ausflüge zu anderen Pfützen. Gegen Sonnenuntergang wurde ihr Leben noch mal richtig anstrengend, aber auf eine schöne, befriedigende Art und Weise, denn sie halfen ihren Kindern dabei, sich um die eine Million Enkelkinder zu kümmern. Als der Mond schon aufgegangen war, flogen die Liebenden schließlich, vom Alter erschöpft, aber glücklich, Flügel an Flügel umher, bis sie zu Boden sanken. Dort schliefen sie, vom Sternenlicht beschienen, sanft ein, die Flügel liebevoll ineinandergelegt.
Nachdem ich das gesehen hatte, wusste ich: So ein Leben wollte ich auch haben.
Natürlich etwas länger.
Und mit etwas weniger Kindern.
Und darauf, dass auf meinem toten Körper, wie bei den beiden geschehen, noch ein Kuhfladen landet, konnte ich auch gut verzichten. Ansonsten aber sollte mein Leben genauso sein wie ihres. Und ich hatte immer gedacht, Champion würde mein Summ sein.
Jetzt aber war mein Traum dabei zu zerplatzen, es sei denn, Champion hatte wirklich eine plausible Erklärung dafür, warum er so bei Susi stand.
«Lolle, es war so», hob er an, «Susi hat der Rücken gejuckt, und da hat sie mich gefragt, ob ich mal kratzen kann.»
Das war nicht gerade die plausible Erklärung, auf die ich gehofft hatte.
«Für wie blöd hältst du mich eigentlich?», fragte ich, während mir die ersten Tränen in die Augen schossen.
Champion wusste nicht, was er darauf antworten sollte, dafür grinste Susi: «Nun, für wahnsinnig schlau hält er dich offensichtlich nicht.»
Sie hatte sichtlich Spaß daran, mich zu reizen. Aber ich wollte ihr nicht die Genugtuung geben, vor ihr auszurasten oder – noch schlimmer – gar zu weinen. So atmete ich tief durch, hielt meine Tränen mit geradezu überkuhlicher Kraft zurück und erwiderte ganz gefasst: «Dich hingegen schätzt Champion sicherlich für deinen Geist.»
«Genau.»
«Und für deine große Persönlichkeit.»
«So ist es.»
«Deswegen beugt er sich ja auch gerade über dein Hinterteil.»
Susi schnappte sauer nach Luft. Champion wandte sich an mich und erklärte zerknirscht: «Lolle, das hier bedeutet mir nichts …»
«Na, vielen Dank!», motzte Susi beleidigt.
Für mich war es leider in diesem Moment nur ein geringer Trost, dass ihm das Fremdgehen nichts bedeutete.
Champion versuchte weiter, mich zu
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