MUH!
die Wahl», erwiderte der Kater, richtete sich auf und humpelte schmerzverzerrt los. Doch schon nach wenigen Humplern wurde ihm schwindelig, er begann zu wanken und brach schließlich zusammen. Im Fallen fluchte er «Fuck, Fuck, Fu…» und landete mit dem Gesicht voran im Schlamm.
«Was hab ich gesagt?», kommentierte Hilde trocken. «Nicht weit.»
«Fuckedifuckediefucke», stammelte der Kater noch als Letztes in den Schlamm, bevor er das Bewusstsein verlor.
«Dieser Kater redet versauter als die Schweine», staunte Radieschen. (Das wollte was heißen, Schweine haben eine Art, miteinander zu reden, bei der wir Kühe ganz verlegen werden und es schade finden, dass wir nicht dazu in der Lage sind, uns Karotten in die Ohren zu stopfen.)
«Ich frag mich», sagte ich, «wer oder was ihn so zugerichtet hat.»
«Das wäre dann wohl ich gewesen», grollte eine dunkle Stimme hinter uns. Eine Stimme, deren Eiseskälte durch Mark und alle vier Beine ging.
Schon bevor ich mich umdrehte, dachte ich mir: Warum muss ich dumme Kuh auch immer so blöde Fragen stellen?
Kapitel 4
Langsam drehte ich mich um und sah auf der anderen Seite des Baches einen unglaublich großen grauen Schäferhund. Er war alt, aber er wirkte kein bisschen schwach, sondern im Gegenteil, als verfüge er über eine gewaltige Kraft. Sein Gebiss war riesengroß, die Zähne reißend scharf, und wo sein linkes Auge hätte sein müssen, war alles mit vernarbter Haut zugewachsen. Das rechte Auge war blutrot unterlaufen und funkelte böse. Ich hatte noch nie einen Mörder gesehen, aber ich wusste genau: Das hier ist einer.
Mein Instinkt schrie: Ich finde, das ist ein außerordentlich guter Zeitpunkt abzuhauen!
Meine beiden Freundinnen hatten sich nun ebenfalls zu dem Hund umgedreht. Radieschen schluckte beim Anblick dieses unheimlichen Geschöpfs: «Ich glaub, ich habe mir gerade gegen das Bein gepinkelt.»
Hilde stammelte, ganz so, als ob sie den Schäferhund erkannte: «Hoffentlich ist das nicht …»
Weiter kam sie nicht, denn der Hund grinste: «Es ist schön, nach all den Jahren wieder nach Hause zu kommen.»
«Oh nein, er ist es!», schluckte Hilde. «Das ist wirklich Old Dog!»
«Schön, dass mein Name hier noch bekannt ist», grinste er noch breiter.
Jetzt drehte ich förmlich durch vor Angst. Old Dog war eine Legende auf unserem Bauernhof. Eine der unheimlichen Art. Zwar hatte keine von uns drei Kühen ihn je gesehen, doch jedes Kalb in der Herde hatte schon von ihm gehört: Old Dog hatte einst, vor vielen Sonnenwenden, unseren Hof gehütet. Damals, als junger Hund, hörte er noch auf den Namen Rex. Er war freundlich zu jedem und schützte uns vor Füchsen, Mardern und anderen wildernden Tieren. Rex liebte Tinka, eine liebreizende Pudeldame, und die beiden waren ein glückliches Paar, wie es kein anderes auf dem Bauernhof gab. Doch eines schrecklichen Tages fraß Tinka vergiftetes Fleisch, das der Bauer für Ratten ausgelegt hatte, und starb qualvoll. Der Kummer von Rex in den folgenden Wochen war unermesslich, er aß nichts mehr und kümmerte sich auch nicht mehr um seine Pflichten auf dem Hof. Schließlich wurde sein Schmerz so unerträglich, dass er nicht mehr auch nur einen Tag weiterleben wollte. So fraß er selbst von dem vergifteten Fleisch. Er schlang es runter, brach zusammen, spuckte Schaum, und nach wenigen Minuten des Todeskampfes stand sein Herz still wie zuvor bei seiner geliebten Tinka. Der Bauer wollte Rex jedoch nicht sofort begraben, sondern erst mal seinen Rausch ausschlafen, und so ließ er den Kadaver des Hundes auf dem Hof liegen. Um Mitternacht öffnete Rex mit einem Male wieder die Augen: Er war von den Toten zurückgekehrt. Aber verändert. Seine Augen waren rot und sein Fell grau wie das eines alten Hundes. Doch er war nicht schwach wie ein solcher, sondern besaß fortan eine enorme, übernatürliche Kraft. Aber vor allem war er nicht mehr lieb, sondern böse. Nicht ein bisschen böse wie Pups-Onkel, der sich gerne mal einen Spaß daraus machte, sich in unsere Mitte zu stellen und zu pupsen … Nein, Rex, der fortan nur Old Dog genannt wurde, war jetzt unfassbar böse. Er wachte nun nicht mehr über dem Bauernhof und beschützte die Tiere, sondern quälte sie bei jeder Gelegenheit. Was immer auch mit ihm geschehen war, als sein Herz nicht mehr schlug, wo immer auch sein Geist hingereist war, es hatte ihn verändert. Die Tiere auf dem Hof vermuteten, dass er im Reich der Toten nach seiner Tinka gesucht und sie nicht
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