Der widerspenstige Ritter (German Edition)
1
Das Gewitter setzte unvermittelt mit einem Platzregen ein. Nicht ungewöhnlich wenn man bedachte, dass schon den ganzen Vormittag dunkle Wolkenfetzen die Sommersonne dabei gestört hatten, zu Boden zu sinken. Dennoch hatte Aaron angenommen, seinen Weg zu bewältigen, ohne dabei nass zu werden. Ein Irrtum, der ihn eigentlich nicht groß gekümmert hätte, wenn dies nicht einer der Tage gewesen wäre, an dem er seinem Vater Rede und Antwort stehen sollte.
Ein Grund warum ihm das Einsetzen der Naturgewalten nicht wirklich gelegen kam. Zwar verschaffte es ihm so eine kleine Galgenfrist, die er in der abgelegenen Scheune verbringen konnte, an der er erst kurz zuvor vorbeigekommen war, aber der Weg zurück kostete ihn noch zusätzlich Zeit. Es verhinderte auch nicht, dass er selbst und sein Pferd auf dem Weg dorthin, unangenehm nass wurden.
Ein Sommergewitter dauerte nie besonders lange und so hatte Aaron keine Hoffnung, dass in der kurzen Wartezeit in seinem Zufluchtsort, seine Sachen trocknen würden. Trotzdem warf er seinen Umhang, kaum dass er den Unterstand betreten hatte, über einen hüfthohen Balken, der eine Art Box vom Rest des Gebäudes abtrennte. Dann kümmerte er sich um sein Pferd Rufus und versuchte es trocken zu reiben.
Eine Aufgabe, die ihm nicht schwer fiel, da die Scheune gut mit Heu gefüllt war, und sich dieses ausgezeichnet dazu eignete, über das Fell des Pferdes zu reiben. Dass diese Tätigkeit keine Ablenkung von dem Problem brachte, das Aaron zu Hause erwartete, zeigte sich schon darin, dass er in Gedanken nicht wirklich bei der Sache war, sondern stumm vor sich hin fluchte.
Seine ganze Aufmerksamkeit gehörte der Forderung seines Vaters, der er sich wie schon so oft, auch heute wieder stellen musste. Darum interessierte es Aaron auch nicht wirklich, wo er überhaupt untergekommen war. Er kümmerte sich nur ganz automatisch um sein Reittier, und als dies ausreichend getrocknet war, um sich selbst.
Er musste wenigstens einen Teil seiner durchweichten Kleidung loswerden, um die Möglichkeit zu haben, halbwegs trocken zu werden. Die Tunika über den Kopf zu ziehen würde sicher ausreichen, um das Hemd darunter an seiner Haut trocknen zu lassen. Selbst wenn es im Augenblick an seinem muskulösen Oberkörper klebte, bestand die Hoffnung, dass es sich später auf seinem Ritt durch den Wind, in einen angenehmeren Zustand bringen ließ.
Mit seinem schulterlangen hellen Haar konnte er nicht viel mehr machen, als es ein wenig auszuwinden. Und damit erschöpften sich seine Möglichkeiten auch schon, sich in einen präsentableren Zustand zu bringen.
Da er nichts weiter an seiner Erscheinung ändern konnte, hatte er jetzt Zeit, sich in seinem Unterstand umzusehen und nach der Quelle der Laute zu suchen, die er meinte gehört zu haben, als er einen Teil seiner Oberbekleidung ablegte. Gab es hier irgendein Tier außer Rufus, das schnaubte oder mit den Hufen scharrte?
Wenn, dann wüsste er nicht, wo sich dieses versteckt haben sollte. Denn die Scheune war ein Gebäude, das keine verborgenen Winkel und Ecken hatte. Er konnte von seinem Platz aus fast in alle Bereiche blicken. Dabei entdeckte er nur trockene Halme, die hier gelagert wurden. Sogar auf dem Zwischenboden, der in einem Teil des Lagerraums gezogen war, befand sich getrocknetes Futter für den Winter.
Was also war es, was ihn gestört hatte. Nur der Regen, der auf das Schindeldach trommelte? Aaron lauschte, versuchte alle Geräusche auszublenden, die ihm vertraut waren, um nach dem Einen zu suchen, das ihn störte.
War es ein Schluchzen oder ein Kichern, das eindeutig unterdrückt werden sollte, was da an sein Ohr drang? Aaron konzentrierte sich stärker, versuchte einen der Laute zu lokalisieren und fand schließlich das, was er gesucht hatte.
Etwas hatte sich auf dem Zwischenboden tief ins Heu geduckt. Oder vielleicht sollte er das Etwas lieber mit einem Jemand spezifizieren. Je genauer er seinen Blick auf dieses Objekt fokussierte, umso mehr konnte er erkennen: ein schmales Gesicht und den Ansatz unordentlich geflochtener brauner Zöpfe.
„Findest du es lustig, fremden Rittern dabei zuzusehen, wie sie sich ihrer Kleidung entledigen?“
Es war unschwer zu erkennen, dass Aaron darüber sauer war, unwissentlich so ein Schauspiel geboten zu haben. Aber da es sich hier nur um ein Kind handeln konnte, das in der Scheune spielte, nahm er die Sache nicht ganz so tragisch. Ein kleines Bauernmädchen konnte sich kaum über mangelnde
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