Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
sinnlos war. Und trotzdem konnte sie ihre Mutter in diesem Zustand nicht einfach auf die Straße lassen.
»Gut, wie du willst, aber nur unter einer Bedingung: Ich komme mit. Ich habe heute meinen freien Tag. Da kann ich dir in der Küche zur Hand gehen.«
Davinia lächelte gequält. »Ich kenne dich, mein Kind. Wenn du dir etwas in den Kopf setzt, dann kann man es dir um keinen Preis der Welt ausreden.«
»Von wem ich das wohl habe?«, erwiderte Lili und bat ihre Mutter, in der Küche auf einem Stuhl zu warten, bis sie sich angezogen hatte.
»Du behandelst mich wie ein gebrechliches altes Weib«, schimpfte Davinia, als Lili sie unterhakte, kaum dass sie auf der High Street angekommen waren. Wenigstens regnet es nicht, dachte Lili. Erst als sie an St. Giles vorbeigingen, fiel ihr siedend heiß ihre Verabredung mit Isobel und deren Vater ein, aber sie hatte keine andere Wahl. Ihre Mutter schnaufte bei jedem Schritt. Nein, sie wurde gebraucht. Und es kam ihr ganz gelegen, denn so musste sie keine schwierige Entscheidung treffen. Sie hatte gestern Abend nicht einschlafen können, weil sie sich mit der Frage das Hirn zermartert hatte, ob sie den Tag tatsächlich mit den beiden genießen oder nur hingehen sollte, um abzusagen. Ihr Verstand hatte ihr dringend von einem Treffen mit Vater und Tochter abgeraten, während sie sich tief im Herzen danach sehnte, den Baronet wiederzusehen. Kurz vor dem Einschlafen hatte ihr Gefühl gesiegt. Was machte schon der eine Tag? Selbst den Einwand, sie könne sich in ihn verlieben, hatte sie fortgeschoben. Das waren verklärte Nachtgedanken gewesen. Heute in der Morgendämmerung sah alles schon wieder ganz anders aus. Es war besser, wenn sie ihn nicht noch einmal traf, erst recht, da sie im Begriff stand, sich in ihn zu verlieben. Warum etwas vorantreiben, das keine Zukunft hatte?
Die Stimme ihrer Mutter riss sie aus ihren Gedanken. »Lili, träumst du? Ich habe dich schon dreimal gefragt, wie es gestern Abend war.«
»Entschuldige, ich habe gerade an etwas anderes gedacht. Gut, ja, es war sehr gut.«
»Gesprächig bist du ja nicht gerade«, bemerkte Davinia und blieb erneut stehen, um zu verschnaufen.
»Du lässt dich aber schon von Doktor Denoon untersuchen, nicht wahr?«, fragte Lili bang.
»Lili, ich habe dir doch bereits gesagt – sie haben heute Gäste. Da werde ich ihn wohl kaum mit meinen Wehwehchen belästigen.«
»Ach, Mom, du bist unmöglich!«, bemerkte Lili seufzend und hakte ihre Mutter nur noch fester unter.
Als sie am Charlotte Square Nummer fünf angekommen waren, blieb Lili zögernd stehen. Plötzlich missfiel ihr der Gedanke, dass Sir Niall und Isobel vergeblich bei der Kirche auf sie warten würden. Es war von hier aus nicht weit zur Schule, sodass sie Isobel wenigstens eine Nachricht überbringen lassen konnte.
»Mom, ich komme gleich nach. Ich habe schnell noch etwas in der Schule zu erledigen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte sie davon. Inzwischen war es Tag geworden, doch das machte wenig Unterschied. Dichte graue und schwarze Wolken hingen über der Stadt. Lili fröstelte. Sie beschleunigte ihren Schritt und überlegte, wem sie die Notiz wohl übergeben sollte, denn den Mädchen war es heute gestattet, länger zu schlafen. Sie hatte Glück. Gleich im Eingang traf sie auf Mademoiselle Larange, die wie jeden Morgen im Hof ihren Frühsport trieb.
»Aben Sie sisch verirrt? Sie aben doch freie Tag«, begrüßte die Französin sie.
»Ja, aber ich war mit Isobel und ihrem Vater verabredet, und nun muss ich absagen. Könnten Sie ihr beim Frühstück die Nachricht überbringen?«
»Das ist très schade. Monsieur le Baronet wird sein traurisch.«
Lili musterte ihre Kollegin missbilligend. »Mademoiselle Larange, wie Sie soeben richtig sagten, ist der Mann ein Baronet. Und ich bin das uneheliche Kind einer Köchin und eines Schwarzbrenners. Jedenfalls ist es das Einzige, was ich über meinen Vater weiß. Keine guten Voraussetzungen zum Eiraten, n’est pas?«
Mademoiselle Larange konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Wir leben nischt im Mittelalter, ma chère.«
Lili seufzte. »Bestellen Sie es ihr?«
»Mmh«, knurrte die Moiselle.
»Danke!«, rief Lili und machte sich im Laufschritt zurück auf den Weg zum Charlotte Square. Dort nahm sie den Dienstboteneingang und rannte die Treppe neben dem Hauptportal hinunter. Außer Atem gelangte sie in die Küche, die im Souterrain lag. Ihre Mutter war gerade dabei, Rührei für das Frühstück
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