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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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Luke Koffer aufs Förderband. Schon kamen die ersten Fluggäste: eilige Geschäftsleute in gutsitzenden Wintermänteln und mit braven Aktenköfferchen, die immer schön bei Fuß blieben; braungebrannte Touristen in zu bunter und zu leichter Kleidung; ein alter Araber, der wohl im Land der Ungläubigen seinen verlorenen Sohn suchte   – und dann kam der Weltmeister. Das Gedröhn der Kuhglocken steigerte sich ins Unerträgliche. Huber Hansi war ein linkisches Bürschchen um die Zwanzig, vom Sponsor sportlich-elegant eingekleidet und von zwei Stewardessen vorteilhaft umrahmt. Er winkte verlegen und stieg über eine Treppe hinunter zur Gepäckausgabe, wo sich jemand seiner Koffer und mutmaßlichen Sportgeräte annehmen würde. Er passierte ohne weitere Formalitäten die Zollkontrolle und wurde diesseits der Glasscheibe von der Menge verschluckt. Das Gedröhn der Kuhglocken wurde leiser und verstummte, während ich zum Laufsteg hochsah, auf dem Polja gleich auftauchen mußte. Und dann kam sie, Polja, o Polja, die königlich Aufrechte, den Abglanz afrikanischer |200| Sonne im Gesicht und einen feinen Hauch Wüstenstaub auf den Fallschirmspringerstiefeln.
    Polja und ich gingen zum Ausgang, der auf die nachtschwarze Straße führte. Da rief sie: »Das ist ja . . . ist das meine Maschine?« Tatsächlich blinkte durchs gläserne Portal eine blitzblanke, feuerwehrrote Harley-Sportster. »Das darf doch nicht wahr sein!«
    »Ich habe mir gedacht, wir sollten mal zusammen ausfahren.«
    »Und da klaust du meine Maschine?«
    »Werni hat mir den Schlüssel gegeben.«
    »Der hat den rausgerückt? Ich schlag euch tot, alle beide!«
    »Wir haben gedacht, du freust dich.«
    »Hast du Ölstand und Reifendruck kontrolliert?«
    »Klar.«
    »Beim Schalten die Kupplung ganz durchgezogen?«
    »Sicher.«
    »Den Motor hochgejagt?«
    »Nicht über viertausend Touren.«
    »Auf die Schnauze gefallen?«
    »Nie.«
    Mißtrauisch umkreiste Polja die Harley. Sie fühlte an beiden Zylindern die Temperatur, prüfte die Kabelzüge von Bremse und Kupplung, tippte mit dem Stiefel den Kettenspanner an, suchte auf Tank und Schutzblechen nach Kratzern im Lack und sagte schließlich: »Schlüssel.« Ich reichte ihn ihr. Mit einem beiläufigen Stiefeltritt warf sie die Maschine an und horchte auf das Wummern der Zylinder. Der Motor lief wunderbar ruhig, nur die Ventile klingelten ein wenig.
    |201| »Für die Ventile kann ich nichts« sagte ich.
    »Die klingeln immer. Das muß so sein.«
    Wir zogen Regenoveralls, Helme und Handschuhe an. Dann stieg Polja auf, ich nahm auf dem Rücksitz Platz, und wir fuhren los. Es schneite wie im Märchen, die Fahrbahn war weiß und glatt wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, und die Harley schrieb die ersten Zeilen eines langen Liebesgedichts darauf. Wir fuhren vorbei an Einkaufszentren und Kläranlagen und Zementfabriken und Atomkraftwerken, und dann erreichten wir die Stadtgrenze von Olten. Polja hielt an, und wir setzten die Helme ab. Es hatte aufgehört zu schneien, die Luft war eisig klar. Wir befanden uns im ehemaligen Industriequartier mit all seinen stillgelegten Lastwagen-, Seifen– und Kakaofabriken, den Ledergerbereien, Eisenbahnwerkstätten und Gießereien. Überall standen die Räder still, manche schon seit Jahrzehnten, andere erst seit wenigen Monaten. Junge Birken wuchsen aus geborstenem Asphalt und aus dem Schotter von Geleisen, auf denen nie wieder ein Güterzug rollen würde. Neben uns blinkte die Leuchtreklame eines Fitneßcenters, das seine Trainingsmaschinen in einer ehemaligen Werkhalle aufgestellt hatte. Hier gab es für uns nichts zu tun. Der Moment würde unweigerlich kommen, da wir weiterfahren mußten in die Stadtmitte, vielleicht auf ein Bier in den ›Ochsen‹, dann schlafen und morgen früh in die Redaktion, wo ich das Zingg-Portrait schreiben würde, abends vielleicht ein Spaziergang hinunter an die Aare und so weiter, und so weiter. Wie auf einem Stadtplan eingezeichnet sah ich meine Wege vor mir, auf ewig festgelegt mit rotem, wasserfestem Filzstift   – da faßte |202| mich Polja am Arm. »Heute abend gehen wir ausnahmsweise mal nicht in den ›Ochsen‹. Einverstanden?«
    »Okay.«
    Polja fuhr an, und wir rollten ins Städtchen. Alles war still; Polja fuhr die Harley so tieftourig wie möglich, um die schlafenden Bürger nicht zu wecken. Links und rechts zogen die Kneipen und die Wohnungen und die Büros vorbei, in denen ich die Hälfte meines Lebens zugebracht hatte. Polja hielt

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