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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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»Scheiße, Mann, warum hast du das gemacht?«
    Carl
geht weiter. In ihm brennt ein saures Feuer von der Farbe getrockneten Bluts.
    »Du
blödes Arschloch«, sagt Barry, »du Spast, was sagen wir jetzt morgen den beiden
Mädchen?«
    Carl
holt aus und gibt Barry eins aufs Ohr. Barry erschrickt und taumelt zur Seite.
»Was ist denn mit dir los, du Psycho?«, schreit er und fasst sich an den Kopf.
»Was zum Teufel ist los mit dir?«
     
     
    Am
nächsten Tag steht Skippy mit nackten Beinen am Rand des Beckens; das Chlor und
die frühe Stunde brennen ihm in den Augen. Der Morgen draußen ist ein einziges
trübes Grau, gerade tauchen allmählich die ersten Umrisse auf. Links und rechts
von Skippy stehen Jungen aufgereiht, die mit ihren weißen
Seabrook-College-Badekappen wie Klone aussehen, denen das Schulwappen auf die
kahlen Köpfe gestempelt wurde. Dann schrillt die Trillerpfeife, und bevor sein
Kopf es merkt, ist sein Körper schon nach vorn ins Wasser geschnellt. Im selben
Moment greifen tausend blaue Hände nach ihm, packen ihn, ziehen ihn in die
Tiefe - er hält die Luft an, wehrt sie ab, kämpft sich an die Oberfläche -
    Er
taucht auf und ist von buntem Getümmel und lautem Tumult umgeben - das gelbe
Plastikdach, das Platschen und Spritzen der anderen Schwimmer, ein Arm, ein
seitwärts gedrehter Kopf mit Schwimmbrille, der Trainer, der sich wie ein
knorriger Baumstamm übers Wasser beugt, in die Hände klatscht und Schneller,
schneller schreit,
und in den Bahnen neben Skippy die Jungen, die sich wie ungehorsame
Spiegelbilder vorwärtsstehlen und hinter ihrem Kielwasser verschwinden. Alle
streben dem Beckenrand zu! Aber das Wasser wendet sich gegen ihn; der
Beckenboden ist ein Magnet und zieht ihn wieder in die Tiefe, dort hinab, wo ...
    Die
Trillerpfeife schrillt. Garret Dennehey schlägt als Erster an, direkt nach ihm
Siddartha Niland. In den folgenden Sekunden kommen auch die anderen an, lehnen
sich mit dem Rücken an die Beckenwand, keuchen, schieben ihre Brillen hoch.
Skippy ist immer noch in der Beckenmitte.
    »Herrgott
noch mal, Daniel, jetzt mach schon, du bist ja wie eine alte Oma im Park!«
    Dreimal
die Woche um sieben Uhr morgens eine Stunde Training. Dabei kann man noch froh
sein: Die Älteren trainieren jeden Morgen, auch samstags. Brust, Rücken,
Schmetterling, Kraul, hin und zurück durch die blauen Chemikalien; Übungen auf
den Fliesen, Sit-ups und Kniebeugen, bis sämtliche Muskeln brennen.
    »Gute
Leistungen im Sport sind nicht nur eine Frage der Begabung«, doziert der
Trainer gern, wenn er am Beckenrand auf und ab geht, während man sich durch
seine Bahnen quält. »Da ist auch Disziplin gefragt, und Einsatz.« Wer mal nicht
zum Training kommt, sollte deshalb eine gute Entschuldigung haben.
    Hinterher
stehen sie bibbernd vor der Tür der Umkleide, die Hände unter die Achseln
geklemmt. Wenn man aus dem Wasser kommt, fühlt sich die Luft kalt und dünn an.
Man bewegt den Arm und spürt nicht den geringsten Widerstand. Man spricht, und
die Worte verflüchtigen sich sofort.
    Der
Trainer wickelt sich in einem fort die Kordel seiner Trillerpfeife um die Hand
und wickelt sie wieder ab, und die Jungen umringen ihn wie die Jünger auf alten
Gemälden Jesus. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass sein Körper völlig
verkrampft ist, sogar wenn er stillsteht. »Jungs, ihr wart klasse am Samstag.
Aber wir können es uns nicht leisten, uns auf unseren Lorbeeren auszuruhen. Der
nächste Wettkampf ist am 15. November. Noch lange hin, könnte man meinen. Umso
mehr Grund für uns, hart zu arbeiten, um dranzubleiben. Ich will, dass wir ins
Halbfinale kommen.« Er macht eine Kopfbewegung zur Umkleide hin. »Okay, ab mit
euch.«
    Unter
den Duschen hat man nie das Gefühl, wirklich sauber zu werden. Die Wände sind
verdreckt, das Fußwaschbecken steht halb voll mit trübem Wasser; in den Gittern
zittern dicke Haarknäuel, wie ertrunkene Meerjungfrauen.
    »Du
bist heute geschwommen wie ein Scheißhaufen, Juster«, sagt Siddartha. »Was ist
denn los? Hast du die ganze Nacht Van Doren gebumst?«
    Skippy
murmelt etwas von einem Muskel, den er sich beim Wettkampf gezerrt hat.
    Siddartha
zieht die Nase kraus, schiebt die Schneidezähne über die Unterlippe und macht
das Kängurugeräusch: »Tsch, tsch, tsch, zu dumm, hab mir
einen Muskel gezerrt. Reiß dich am Riemen. Am Samstag hast du ja Glück
gehabt, aber das heißt noch lange nicht, dass du jetzt einen Stammplatz in der
Mannschaft hast.«
    »Hör
nicht auf

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