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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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einen roten Pullover und ihren Glitzerschal um den Hals. Wir tranken Earl Grey, sie wollte lieber Kaffee. Domenica brachte einen Filterkaffee, der recht stark war. Francesca nahm zwei Löffel Rührei, knabberte einen Toast, während Ricardo routiniert höflich die Zeitung zusammenfaltete, die zu lesen er sich gerade anschickte. Grüne Schatten erfüllten den Garten, die Büsche dufteten herb und frisch, und überall schnatterten Vögel.
    »Casa degli Uccelli«, murmelte Francesca. »Früher konnte man nirgendwo allein sein, im ganzen Haus nicht, überall waren Leute. Heute wohnen nur die Vögel hier.«
    »Und jetzt bist du wieder da«, sagte ich gespielt heiter. »Nicht mehr jung. Uralt. Sieh doch mein Gesicht an!« »Immer noch schön« sagte ich.
    Sie warf mir einen finsteren Blick zu.
    »Und immer noch unmöglich. Will ich mich hier einquartieren, werde ich ab und zu Geschirr zerschlagen, macht euch darauf gefasst.«
    »Wir haben genug Porzellan!«
    Francesca knabberte ein Stück Rosinengebäck.
    »Du solltest die Casa loswerden, Ricardo. Warum überlässt du sie einer Stiftung? Als Museum würde sie Furore machen, das sage ich dir. Reich genug bist du doch.«
    Mein Vater schüttelte irritiert den Kopf.
    »Das muss in aller Ruhe überlegt sein. Außerdem, sobald die Kinder da sind, wird die Stimmung ganz anders.«
    »Du wolltest doch das ganze Rudel nicht hier haben« sagte ich.
    »Weil ich mich nicht gut fühle. Aber im nächsten Sommer, ja, gewiss. Weißt du noch, Beata? Marina wollte immer lauter Kinder um sich haben.«
    Er hatte seine rosig verklärten Bilder im Kopf, mit Marina weder unter der Erde noch in irgendwelchen himmlischen Sphären, sondern wie früher im Mittelpunkt. Maltas Ritterorden hat Abteilungen und Ordenswege auf dem ganzen europäischen Festland, unterhält Beziehungen zu sämtlichen Fürstenhäusern. Zu Lebzeiten meiner Mutter ergab sich daraus eine ständige Kette von Einladungen, Tees, Cocktailpartys, Dinners. Das Brot wurde im Haus gebacken, der Wein stammte aus den eigenen Reben. Die Küche lag neben dem Keller, das vergitterte Fenster ging zur Straße hin. Im Haus sollte es nicht nach Essen riechen, darauf legte meine Mutter großen Wert. Sie hatte Diener und Hausmädchen, und der Koch kam aus Bologna. Marina besaß Schmuck, der jetzt in einem Safe ruhte. Klunker interessierten mich nicht. Neidlos und gelangweilt hatte ich zugesehen, wie Alice Türkise auswählte, die ihr nicht standen. Der feine Goldreif mit dem Smaragd, der mir gefiel, passte nicht auf meinen Ringfinger. Ich trug ihn an einer Kette und hängte gelegentlich meine Sonnenbrille daran auf. Meine Mutter kleidete sich in Yves Saint-Laurent, Pucci und Valentino. Als ich kürzlich ihren Persianermantel aus dem Futteral zog, war das Fell von Motten zerfressen. Der Plunder war gut für die Heilsarmee. Ricardo hatte vor Schreck gezittert. Kind, du kannst doch den Pelz nicht weggeben! Marina benutzte »L’air du Temps« von Nina Ricci. Auch im Krankenhaus stand das Fläschchen auf ihrer Kommode, neben den Medikamenten und dem Katheter. In den ersten Tagen nach ihren Tod wollte Ricardo, dass die Fenster im Haus geschlossen blieben, um alles, was an Gerüchen von Marina noch da war, in sich aufzusaugen. Jetzt duftete nur noch der Persianer nach ihr. Mein armer Vater! Ich hatte ihn satt. Ich hatte alle Tränen geweint, die ich weinen konnte, und wollte nicht wieder sentimental werden.
    Als Ricardo sich mit der Zeitung zurückzog, blieben Francesca und ich am Tisch sitzen, und ich fing an, von mir selbst zu sprechen. Ich erzählte von den Dokumentarfilmen, die ich mit Cousteau gedreht hatte. Ich nahm eine zweite Portion Rührei, zeichnete mit der Gabel Arabesken auf das Tischtuch, um Francesca die unglaublich vielfältigen Strukturen des Wassers zu erklären. Ich erzählte auch von den sieben Jahren meines Lebens, in denen ich für Azur umhergereist war; ich hatte an diesem Morgen das Gefühl, auch ohne Ehe und Kinder ein zufriedenstellendes Leben zu führen. Über Fabio sagte ich kein Wort.
    Francesca hatte ich bisher für ichbezogen gehalten, doch sie war eine Frau, die Empathie zeigte und gut zuhören konnte. Dabei schien sie gleichzeitig zwei Gedankengänge zu verfolgen: die meinen und jene, die in ihr selbst dabei entstanden.
    Schließlich schüttelte sie ein paar Krümel von ihrem Pullover.
    »Und das alles hast du aufgegeben?«
    »Meine Mutter erkrankte, und mein Vater brauchte mich. Ich habe eine gute Freundin, Annabel, die

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