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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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aufsah, war er nur noch ein kleiner Junge, der sich anstrengte, nicht in Tränen auszubrechen.
    »Ich danke euch«, schniefte er. In diesem Augenblick wurde uns bewusst, dass nur noch die Crew der ENTHYMESIS anwesend war. Alle anderen hatten sich entfernt. Das Kleine Drohnendeck lag im indirekten Licht der gelben Plasmalampen. Einige Serviceroboter fuhren herum und beseitigten die Überreste des gescheiterten Experimentes. »Und jetzt lasst mich einfach allein, bitte.«
     
    Die nächsten Wochen vergingen in quälenden Debatten. In der Kleinen und der Großen Messe, in versammelter Mannschaft oder unter vier Augen wurde über das weitere Vorgehen beratschlagt. Einige Mitglieder des wissenschaftlichen Teams hatten die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, dass die abgängige Sonde wieder auftauchen würde. Vielleicht hatte man sich bei der Berechnung des Rückkehrtermins einfach um die eine oder andere Zehnerpotenz vertan. Oder die Einstein-Krümmung der Raumzeit wies Faktoren auf, die man falsch einkalkuliert hatte, da sie sich bisher der empirischen Untersuchung entzogen hatten.
    Aber als auch der zweite und der dritte Tag nach dem fehlgeschlagenen Versuch verstrichen war, verringerte sich die Zahl derjenigen, die die Rückkehr der Sonde wie die Wiederkehr des Messias als unmittelbar in Aussicht stehendes Ereignis ankündigten. Die Diskussionen wurden ruhiger. Die Gesichter wurden länger, der Tonfall der Gespräche wurde sonorer. Reynolds hatte derartige absurde Hoffnungen nie gehegt. Ihm war klar, wenn die vorausberechnete Rückkehrzeit um eine Minute verstrichen war, dann konnte sie auch um Millionen Jahre verstreichen.
    Das gleiche galt für die ins Kraut schießenden Spekulationen über die Ursache der ausgebliebenen Wiederkehr. Die Sonde konnte im Saturn-Orbit in einen Meteoritenschauer geraten sein. Sie konnte von einer sinesischen Patrouille abgefangen worden sein. Es konnte buchstäblich alles mögliche geschehen sein. Ein Menschenleben reicht nicht aus, die Eventualitäten zu ersinnen, die hatten auftreten können. Wir verfügten über keinerlei Daten.
    Dennoch wucherten die Theorien und Hypothesen. Dass das auch Frontenbildungen und neuentstehende Parteiungen mit sich brachte, lag in der menschlichen Natur. Die Untätigkeit führte dazu, dass eine sachliche Diskussion unmöglich wurde. Geheimdiplomatie war angesagt. Schon vor dem Experiment hatten sich Fraktionen gebildet, Lager hatten sich kristallisiert, die sich innerhalb der amorphen Masse der wissenschaftlichen Abteilungen abschnürten wie Zellkulturen in einer übersättigten Nährlösung. Aber der bevorstehende Versuch und die bis dahin zu bewältigenden Arbeitspensen hatten die Parteien noch zusammengezwungen. Jetzt, da das Experiment gescheitert war, brachen die Konflikte offen aus, und es mangelte nicht an Schuldzuweisungen.
    WO Reynolds brachte alles an menschlicher Größe auf, dessen er fähig war, und übernahm ein ums andere Mal die Verantwortung für den Fehlschlag. Obwohl er, wie er mir anvertraute, keineswegs davon überzeugt war, dass sein Weg sich prinzipiell als falsch herausgestellt hatte, gestand er öffentlich sein vollständiges Scheitern ein. Er führte im Geheimen immer noch Berechnungen durch und suchte seine Reprogrammierung der Sonde nach internen Fehlern ab, aber nach außen hin tat er so, als habe er sich mit seinem Irrtum abgefunden.
    Frankel musste nun zugeben, dass er außer der Idee nichts in der Hand hatte. Eilig wurden neue Kommissionen ins Leben gerufen, die damit betraut wurden, das mathematische Gerüst für eine Umrüstung zu erstellen. und die bittere Ironie unserer Situation wollte es nicht anders, als dass Reynolds mit der Leitung dieser Arbeitsgruppe beauftragt wurde, da weder Frankel selbst noch ein anderes Mitglied seines Stabes in der Materie beschlagen genug waren, die nötigen Berechnungen durchzuführen.
    Reynolds schickte sich darein. Er würde auch zum zweiten und zum dritten Mal stürzen und sein Kreuz immer wieder aufnehmen. Er schlich durch die Gänge des wissenschaftlichen Traktes wie ein Schmerzensmann, verbrachte die regelmäßigen Besprechungen schweigsam und die Mahlzeiten allein, über ein MasterBoard gebeugt, an dem er die endlosen Operationen der selbstprogrammierenden mathematischen Tools überwachte. Er konnte einem leid tun, aber wenn man ihm einen aufmunternden Blick, ein tröstendes Wort oder ein kameradschaftliches Schulterklopfen zukommen ließ, winkte er nur ab und vergrub sich noch

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