Muss ich denn schon wieder verreisen?
um ehemalige Camper, die im Umgang mit Ameisen und sonstigem Getier schon bestens trainiert waren.
Diese Verbundenheit mit der Natur erlebten sie nämlich in erster Linie mit Ratten, aus begreiflichen Gründen in ›Palmhörnchen‹ umbenannt. Sie haben allerdings mit den hiesigen Ratten nichts (mehr) gemein. Ihre vor Jahrhunderten eingeschleppten Vorfahren hatten sich auf vegetarische Kost umstellen müssen, Kokosnüsse wohl am bekömmlichsten gefunden und waren aus Gründen der Bequemlichkeit gleich auf den Palmen geblieben. Wie sie aussehen, weiß ich nicht, ich habe nie eins zu Gesicht bekommen, nur gehört habe ich sie. Erst in der Nacht werden die Viecher munter, doch da sie möglicherweise noch nicht die Geschicklichkeit von Affen erreicht haben, benutzen sie bei ihren Ausflügen von Baum zu Baum auch mal Dächer als Zwischenstation. Zum Glück hatte ich in der ersten Nacht noch nichts von der Existenz dieser Spezies gewußt, war aber mehrere Male wach geworden, weil auf dem Dach etwas scharrte und knisterte. Ich hatte es auf einen Ast geschoben. Schließlich ragte das Grünzeug schon fast ins Fenster herein.
»Natürlich wäre ich viel lieber in einen der modernen Bungalows gegangen«, erzählte Frau Burmeester, »doch als Single hat man da keine Chance. Nicht mal gegen doppelten Aufpreis. An die verschiedenen Unbequemlichkeiten in der Hütte habe ich mich ja gewöhnt, damals im Luftschutzkeller ist es viel schlimmer gewesen, nur die Betten sind eine Katastrophe. Zu Hause wird mein erster Gang der zum Orthopäden sein.«
»Mich würde am meisten die kalte Dusche stören«, sagte ich eingedenk Steffis bibbernd vorgebrachter Selbstbeschwörung. »D-das ist g-g-g-gesund, d-das h-hat schon P-P-P-Pastor K-Kneipp g-g-gesagt, d-das b-b-belebt den K-Kreislauf, d-d-das ist g-g-gesund… Scheiße! Das ist überhaupt nicht gesund, das ist bloß kalt! Gib mir ganz schnell das Handtuch!«
Frau Burmeester nickte. »Stimmt, das kostet Überwindung, aber diese Schwefelbrühe tu’ ich mir nicht auch noch an. Zum Duschen gehe ich immer zu den Kindern rüber, die sind zu zweit und wohnen vornehm.
Es stellte sich heraus, daß Frau Burmeester die Mutter von Tauchschüler Patrick war und demnächst Schwiegermutter von Silke sein würde. Das Angebot, ihre Höhle gegen den komfortableren Bungalow zu tauschen, hatte sie edelmütig abgelehnt. »Das ist doch der erste gemeinsame Urlaub für die Kinder, und den sollen sie auch genießen. Ich brauche ja nur an die Betten zu denken!«
Es gibt eben viel selbstlosere Mütter als mich. Wäre ich in der gleichen Situation gewesen, hätte ich mit Sicherheit getauscht!
»Vor allem stört mich, daß es überall knirscht«, fuhr Frau Burmeester fort. »Wenn man im Innern der Hütte etwas sehen will, muß man die Tür auflassen, aber dann wirbelt der Wind den ganzen Sand auf. Was man auch anfaßt, alles ist mit einer feinen Staubschicht bedeckt. Doch am meisten freue ich mich auf mein trockenes Bett zu Hause.«
Wieso das? Bei einem Unwetter traute ich den Palmblattdächern nicht allzuviel Haltbarkeit zu, aber es war doch noch kein Tropfen Regen gefallen. »Ist Ihr Dach undicht?«
»Das glaube ich nicht, denn bisher hat sich noch kein Palmhörnchen durchgenagt, obwohl sie fast jede Nacht da oben Familienfeste veranstalten. Nein, die ganze Bettwäsche ist klamm, jedes Handtuch, einfach alles. Was ich abends anziehen will, muß ich mittags erst mal in die Sonne hängen. Ob die hohe Luftfeuchtigkeit schuld daran ist oder die Tatsache, daß in diese Höhlen nie ein Sonnenstrahl fällt, weiß ich nicht, aber eins weiß ich mit Sicherheit: Im nächsten Urlaub fahre ich wieder nach Lanzarote.«
Um möglichen Beschwerden empörter Hotelmanager vorzubeugen: Palmhörnchen kriegt man so gut wie nie zu Gesicht, es ist auch noch niemand auf eins draufgetreten, feuchte Bettwäsche ist nicht die Norm, Fisch mit Reis ebenfalls nicht, woanders gibt es auch mal Kartoffeln, und überhaupt entschädigen einen Sonne, Sand, Meer und die herrliche Unterwasserwelt für alle etwaigen Unzulänglichkeiten. Darüber hinaus habe ich anhand des letztjährigen Reisekatalogs festgestellt, daß ›unsere‹ Insel von Grund auf renoviert worden ist, zwei Sterne mehr bekommen hat und nun doppelt soviel kostet.
18
Mein letzter Urlaubstag wäre auch beinahe der letzte Tag meines Lebens geworden, und schuld daran war Reinhard.
Ich war auf dem Weg zu der kleinen Lagune, um Ferdinand das Frühstück zu bringen. Ferdinand
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