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Muster - Steffen-Buch

Muster - Steffen-Buch

Titel: Muster - Steffen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raidy
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war, dass ich jederzeit beim Stehlen erwischt werden könnte. Ich stahl das Essen immer vor Schulbeginn, während meine Klassenkameraden auf dem Schulhof spielten. Ich schlich zu unserem Klassenzimmer, ließ meine Lunchbox neben eine der anderen fallen und kniete mich hin, damit niemand sehen konnte, wie ich die Lunchpakete durch-forstete. Die ersten Male war es einfach, aber nach einigen Tagen bemerkten einige Schüler, dass Kekse und andere Leckereien in ihren Lunchpaketen fehlten. Binnen kurzer Zeit begannen mich meine Klassenkameraden zu hassen. Mein Klassenlehrer informierte den Direktor, der wiederum Mutter informierte. Mein Kampf um Nahrung wurde zum Teufelskreis. Der Anruf des Direktors hatte zur Folge, dass ich zu Hause noch mehr Schläge und noch weniger Essen bekam.
    An den Wochenenden gab mir Mutter überhaupt nichts zu essen, um mich für die Diebstähle zu bestrafen. Am Sonntagabend lief mir das Wasser im Mund zusammen, wenn ich mir neue, narrensichere Methoden dafür ausdachte, wie ich stehlen konnte, ohne dabei erwischt zu werden. Einer meiner Pläne bestand darin, in anderen Klassen zu stehlen, wo man mich nicht so gut kannte. Am Montagmorgen sauste ich dann zu einem anderen Klassenzimmer, um die Lunchboxen zu durchforsten. Ich kam für kurze Zeit damit durch, aber der Direktor brauchte nicht lange, um die Diebstähle zu mir zurückzuverfolgen.
    Zu Hause ging die doppelte Bestrafung mit Essensentzug und bruta-len Schlägen weiter. Mittlerweile gehörte ich, was das alltägliche Leben anbelangte, nicht mehr zur Familie. Ich existierte, aber ich wurde wenig oder gar nicht wahrgenommen. Mutter hatte aufgehört, meinen Namen zu verwenden. Für sie war ich nur noch »der Junge«. Ich durfte nicht mit der Familie zusammen essen, nicht mit meinen Brüdern spielen und nicht fernsehen. Ich hatte Hausarrest. Ich durfte niemanden ansehen und mit niemandem sprechen. Wenn ich aus der Schule nach Hause kam, erledigte ich sofort die verschiedenen Arbeiten im Haushalt, die Mutter mir auftrug. Sobald ich damit fertig war, ging ich direkt in die Garage, wo ich an der Wand stand, bis Mutter mir nach dem Abendessen befahl, den Tisch abzuräumen und den Abwasch zu machen. Sie machte ganz deutlich, dass es ernste Folgen haben würde, wenn sie 31

    mich sitzend oder liegend in der Garage erwischte. Ich war Mutters Sklave geworden.
    Vater war meine einzige Hoffnung, und er tat alles, was in seiner Macht stand, um hier und da ein paar Brotkrumen für mich abzuzwei-gen. Er versuchte, Mutter betrunken zu machen, weil er hoffte, dass der Alkohol sie in eine bessere Stimmung versetzen würde. Er versuchte, Mutter umzustimmen, was den Essensentzug, mit dem sie mich be-strafte, anbelangte. Er machte sogar den Versuch, Deals mit ihr zu machen, und versprach ihr das Blaue vom Himmel herunter. Doch all seine Versuche waren erfolglos. Mutter hatte ein Herz aus Stein. Und wenn sie betrunken war, verwandelte sie sich erst recht in ein Monster und alles wurde noch schlimmer, falls eine Steigerung überhaupt noch möglich war.
    Ich wusste, dass Vaters Bemühungen, mir zu helfen, zu Spannungen zwischen ihm und Mutter führten. Bald kam es zu mitternächtlichen Streits. In meinem Bett liegend, hörte ich, wie sich ihre Wortgefechte blitzschnell zu ohrenbetäubend lauten Auseinandersetzungen auswuch-sen. Um diese Uhrzeit waren beide betrunken und Mutter schleuderte ihm alle erdenklichen Obszönitäten entgegen. Ganz gleich, was jeweils der Auslöser des Streits gewesen war, ab einem gewissen Punkt drehten sich ihre Gefechte immer um mich. Mir war klar, dass Vater versuchte, mir zu helfen, aber in meinem Bett zitterte ich vor Angst, weil ich wusste, dass er die Schlacht verlieren und es mir am nächsten Tag noch schlechter ergehen würde. Zu Anfang rannte Mutter nach einem solchen Streit zum Auto und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Ge-wöhnlich kam sie jedoch in weniger als einer Stunde zurück, und am nächsten Tag taten Mutter und Vater dann so, als sei nichts geschehen.
    Ich war dankbar, wenn Vater einen Vorwand dafür fand, in die Garage hinunterzukommen und mir heimlich ein Stück Brot zuzustecken. Er versprach mir immer, dass er weiter versuchen würde, mir zu helfen.
    Als die Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Vater zunah-men, begann sich sein Verhalten zu ändern. Oft packte er nach einem dieser Wortgefechte seine Reisetasche und fuhr mitten in der Nacht zur Feuerwache. Wenn er gegangen war, zerrte Mutter mich aus dem Bett

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