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Muster - Steffen-Buch

Muster - Steffen-Buch

Titel: Muster - Steffen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raidy
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Betreuerin für die Pfadfinder. Wann immer die anderen Kinder in unser Haus kamen, behandelte sie sie wie Könige. Einige der anderen Kinder erzählten mir, wie sehr sie sich wünschten, ihre Mutter wäre so wie meine. Ich antwortete nie darauf, aber fragte mich insgeheim, was sie denken würden, wenn sie die Wahrheit wüssten. Mutter betreute die Pfadfinder nur ein paar Monate lang. Als sie den Job aufgab, war ich sehr erleichtert, weil das bedeutete, dass ich zu den Pfadfindertreffen, die jeden Mittwoch stattfanden, zu anderen Kindern nach Hause gehen konnte.
    An einem Mittwoch kam ich von der Schule nach Hause, um meine in Blau und Gold gehaltene Pfadfinderuniform anzuziehen, aber Mutter verbot es mir. Außer Mutter und mir war niemand zu Hause, und ich konnte an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie nach Blut lechzte.
    Nachdem sie mich mit dem Gesicht gegen den Spiegel gestoßen hatte, verdrehte sie mir den Arm und zerrte mich zum Auto. Auf der Fahrt zur Betreuerin meiner Pfadfindergruppe bläute Mutter mir ein, was ich ihr sagen sollte, und stieß alle möglichen Drohungen aus. Ich rutschte bis zur äußersten Kante des Vordersitzes, aber ich hatte keine Chance. Sie streckte den Arm aus, fasste mich unters Kinn und zog meinen Kopf zu ihr hoch. Mutters Augen waren blutunterlaufen und ihre Stimme klang so, als sei sie besessen. Als wir am Haus der Betreuerin eintrafen, rannte ich weinend zur Tür. Ich stotterte unter Tränen, dass ich ein schlechter Junge gewesen sei und nicht zum Pfadfindertreffen kommen dürfe. Die Betreuerin lächelte höflich und sagte, dass sie sich freuen würde, wenn ich zum nächsten Treffen käme. Es war das letzte Mal, dass ich sie zu Gesicht bekommen habe.
    Zu Hause befahl mir Mutter, mich auszuziehen und mich neben den Küchenherd zu stellen. Ich zitterte vor Angst und Scham. Sie offenbarte mir dann, welches gemeine Verbrechen ich begangen hatte. Sie war oft zur Schule gefahren, um meinen Brüdern und mir in der Mittagspause beim Spielen zuzusehen. Mutter behauptete, dass sie mich in der Pause 27

    auf dem Rasen hätte spielen sehen, was nach ihren Regeln absolut verboten war. Ich erwiderte schnell, dass ich nie auf dem Rasen spielte.
    Ich wusste, dass Mutter sich irgendetwas zusammensponn. Meine Belohnung dafür, dass ich Mutters Regeln befolgt hatte und die Wahrheit sagte, war ein harter Faustschlag ins Gesicht.
    Dann ging Mutter zum Herd und drehte die Gasflammen auf. Sie sagte, sie habe einen Artikel über eine Mutter gelesen, die ihren Sohn gezwungen hätte, sich auf einen heißen Ofen zu legen. Mir lief es sofort kalt den Rücken herunter. Mein Verstand setzte aus und ich bekam weiche Knie. Ich wollte mich in Luft auflösen. Ich kniff die Augen zu und wünschte mir, Mutter würde verschwinden. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich spürte, wie ihre Hand meinen Arm wie ein Schraubstock umklammerte.
    »Du hast mein Leben zur Hölle gemacht!«, keifte sie. »Jetzt ist es an der Zeit, dass ich dir zeige, was die Hölle ist!« Mutter hielt meinen Arm in die orange-blaue Flamme. Meine Haut schien in der Hitze zu explodieren. Mir stieg der Brandgeruch von den versengten Haaren auf meinem verbrannten Arm in die Nase. So sehr ich auch kämpfte, ich konnte mich nicht aus Mutters eisernem Griff befreien. Schließlich stieß sie mich zu Boden. Auf Händen und Knien versuchte ich, kühle Luft auf meinen Arm zu blasen. »Zu dumm, dass dein Vater, der Trun-kenbold, nicht hier ist, um dich zu retten«, zischte sie. Dann befahl sie mir, auf den Herd zu klettern und mich auf die Flammen zu legen, damit sie zuschauen könne, wie ich verbrenne. Ich weinte und bettelte und wehrte mich mit Händen und Füßen. Ich hatte solche Angst, dass ich um mich trat. Doch Mutter versuchte weiter, mich auf den Herd zu zerren. Ich starrte auf die Flammen und betete, dass die Gasflasche in diesem Moment leer werden würde.
    Plötzlich drang mir eines ins Bewusstsein: Je länger ich mich dagegen wehren konnte, auf den Herd gezerrt zu werden, desto besser standen meine Chancen, am Leben zu bleiben. Ich wusste, dass mein Bruder Ron bald von seinem Pfadfindertreffen nach Hause kommen würde, und ich wusste auch, dass Mutter nie so durchdrehte, wenn noch jemand anders im Haus war. Um zu überleben, musste ich Zeit heraus-schinden. Ich warf einen verstohlenen Blick auf die Küchenuhr hinter mir. Der Sekundenzeiger schien so unsäglich langsam voranzukriechen.
    Um Mutter durcheinander zu bringen, begann ich,

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