Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muster - Steffen-Buch

Muster - Steffen-Buch

Titel: Muster - Steffen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raidy
Vom Netzwerk:
wusste, dass Mutter etwas Böses im Sinn hatte. Sobald die anderen weg waren, holte sie eine von Russels schmutzigen Win-deln heraus und schmierte mir den Kot ins Gesicht. Ich versuchte, mich nicht zu rühren. Ich wusste, dass es nur schlimmer werden würde, wenn ich mich bewegte. Ich hielt den Kopf gesenkt. Ich konnte Mutter nicht vor mir stehen sehen, aber ich konnte ihren stoßweise gehenden Atem hören.
    Nach einer halben Ewigkeit kniete sich Mutter neben mich und sagte mit sanfter Stimme: »Iss es.«
    Ich blickte starr geradeaus und wich ihrem Blick aus. »Nie im Leben!«, dachte ich. Wie so viele Male zuvor beging ich den Fehler, ihr auszuweichen. Mutter haute mir rechts und links eine runter. Ich klammerte mich am Stuhl fest aus Angst, dass sie sich auf mich werfen würde, wenn ich vom Stuhl fiele.
    34

    »Ich hab gesagt, iss es!«, schnaubte sie.
    Ich änderte meine Taktik und fing an zu weinen. »Bremse sie«, dachte ich. Ich begann im Geiste zu zählen und versuchte, mich darauf zu konzentrieren. Die Zeit war meine einzige Verbündete. Mutter quit-tierte meine Tränen mit noch mehr Ohrfeigen und hörte erst auf, mich zu schlagen, als sie Russel weinen hörte.
    Obwohl mein Gesicht kotverschmiert war, frohlockte ich. Ich dachte, dass ich vielleicht mit einem blauen Auge davonkommen würde. Ich versuchte, den Kot wegzuwischen und schmierte den Holzfußboden voll. Ich hörte, wie Mutter Russel leise etwas vorsang, und stellte mir vor, wie sie ihn in den Armen hielt und wiegte. Ich betete darum, jetzt nicht einzuschlafen. Nach ein paar Minuten war meine Auszeit vorbei.
    Immer noch lächelnd kehrte Mutter zu mir zurück. Sie packte mich am Schlafittchen und zerrte mich in die Küche. Auf dem Küchentisch lag noch eine volle Windel. Bei dem Geruch, den sie ausströmte, drehte sich mir der Magen um. »Jetzt isst du das!«, sagte Mutter. Sie hatte den gleichen irren Blick wie an dem Tag, als sie mich zu Hause auf den Gasherd hatte zerren wollen. Ohne den Kopf zu bewegen, ließ ich meinen Blick schweifen und suchte nach der weißen Uhr, von der ich wusste, dass sie an der Wand hing. Nach ein paar Sekunden dämmerte es mir, dass sich die Uhr hinter mir befand. Ohne die Uhr fühlte ich mich hilflos. Ich wusste, dass ich mich auf etwas konzentrieren musste, um die Situation irgendwie unter Kontrolle zu halten. Ehe ich die Uhr finden konnte, packte Mutter mich im Nacken. Wieder sagte sie: »Iss es!« Ich hielt den Atem an. Der Kotgestank war überwältigend. Ich versuchte, meinen Blick auf die obere Ecke der Windel zu konzentrieren. Die Sekunden erschienen mir wie Stunden. Es gelang mir nicht, Mutter von ihrem Plan abzubringen. Sie stieß mein Gesicht in die Windel und zog es kreuz und quer darüber.
    Ich gab mich nicht kampflos geschlagen. Als sie meinen Kopf hinunterdrückte, kniff ich Augen und Mund fest zu. Ich stieß zuerst mit der Nase in die Windel und spürte, wie mir ein warmer Blutschwall aus der Nase lief. Ich versuchte, den Blutfluss zu stoppen, indem ich durch die Nase einatmete, und zog mit dem Blut Kot hoch. Ich hob die Hände und versuchte, mich aus Mutters Griff zu befreien. Ich wand mich mit aller Kraft unter ihren Händen, aber sie war zu stark. Plötzlich ließ Mutter von mir ab. »Sie sind zurück! Sie sind zurück!«, schnaubte sie.
    Sie nahm einen Waschlappen aus dem Waschbecken und warf ihn mir 35

    zu. »Wisch dir die Scheiße aus dem Gesicht«, blaffte sie, während sie die verräterischen braunen Flecken auf dem Küchentisch beseitigte. Ich wischte mir, so gut es ging, das Gesicht ab, aber erst nachdem ich den Kot, den ich beim Einatmen hochgezogen hatte, aus der Nase geblasen hatte. Augenblicke später stopfte Mutter mir einen Serviettenfetzen in die blutende Nase und befahl mir, mich in die Ecke zu setzen. Dort saß ich für den Rest des Tages und hatte die ganze Zeit noch den Kotgeruch in der Nase.
    Unsere Familie fuhr nie wieder zum Russian River.
    Im September kehrte ich mit den Kleidern vom letzten Jahr und meiner alten, verrosteten, grünen Lunchbox zur Schule zurück. Ich war eine wandernde Vogelscheuche. Mutter packte mir jeden Tag das gleiche Lunchpaket: zwei Erdnussbutterbrote und ein paar verschrumpelte Möhrenstreifen. Da ich nicht mehr zur Familie gehörte, durfte ich nicht mehr mit den anderen im Auto zur Schule mitfahren. Mutter befahl mir, zur Schule zu laufen. Sie wusste, dass ich so keine Zeit mehr haben würde, meinen Klassenkameraden Essen zu stehlen.
    In der Schule wurde

Weitere Kostenlose Bücher